Gift im ‚Vinschger Wind‘

Erstmals wird ein wichtiger Beweis in der Pestiziddiskussion Südtirols hieb- und stichfest geführt. Dass nämlich die Abdrift, also die Windverfrachtung, gefährliche Agrargifte kilometerweit über ihren Bestimmungsort hinausträgt. Der massive Einsatz der chemischen Keulen in den Apfelmonokulturen kann – so fürchten jetzt Touristiker – negative Auwirkungen auf den Fremdenverkehr des Landes zeitigen.

„Vom Winde verweht“nennt das Münchener Umweltinstitut e.V. seine neue wissenschaftliche Studie zu den Giftverfrachtungen durch die Luft im Vinschgau. Sieben Monate lang wurde an vier Standorten im Vinschgau gemessen und die Ergebnisse im Labor ausgewertet. 20 Pflanzengifte konnten teils weit entfernt von Apfelmonokulturen in den Sammelbehältern nachgewiesen werden. Der Beweis ist da: der Vinschger Wind verfrachtet Giftstoffe aus dem Apfelanbau.

Das  Ergebnis ist Wasser auf den Mühlen der Marktgemeinde Mals, die sich vor rund 5 Jahren bei einer Volksbefragung mit riesiger Mehrheit für ein ‚pestizidfreies Mals‘ ausgesprochen hatte. Die Abstimmung wird als „Wunder von Mals“ bezeichnet.

Pestizide nicht nur auf den Apfelmonokulturen und Kinderspielplätzen sondern auch in der Vinschger Luft.

Ich möchte hier einmal rekapitulieren, wie die Diskussionen um die flächendeckenden Apfel-Monokulturen des Vinschgaus und die damit verbundene Diskussion um teils hochgefährliche Ackergifte bisher verlaufen sind. Hoch interessant ist vor allem die Tatsache, dass die Apfelbarone und ihr Landesrat Arnold Schuler die Diskussionen immer noch im Stil wütender Pubertierender führen. Sie stampfen verbal mit dem Fuß auf den Boden anstatt sich Gedanken zu machen, wie es mit den Apfelmonokulturen weitergehen soll und wie der enorme Gifteinsatz massiv verringert werden kann.

Vormarsch der Apfelbarone wurde gestoppt

Man sollte es nicht glauben: Das ‚Wunder von Mals‘ hat seinen Ursprung in der bereits messbaren Klimaveränderung. Die Erwärmung macht es seit Jahren auch über 1.000 m Seehöhe möglich, Apfelplantagen anzulegen und gewinnbringend zu betreiben.

Mals wurde urplötzlich zum Spekulationsobjekt der Vinschger Apfelbarone. Logo, dass die Grundstückspeise für Landwirtschaftsflächen kräftig anzogen. Die ‚Obstbauern’ (richtig müsste es heißen: Obstunternehmer) rieben sich ob der zu erwarteten Profite bereits die Hände. Nur machten sie die Rechnung ohne den Wirt. In der Bevölkerung formierte sich massiver Widerstand gegen die chemisch-agrarische Kolonisierung von Mals, der in einer Volksbefragung gipfelte: sensationelle 75 % der Stimmbürger_innen (bei 70 % Wahlbeteiligung) lehnten die Ausbringung von Pestiziden innerhalb der Gemeindegrenzen kategorisch ab. Damit fuhr das Malser Wahlvolk den Apfelindustriellen massiv in die Parade. Der Dokumentarfilmer Alexander Schiebel bezeichnete dieses  Ergebnis als „Wunder von Mals“.  Sein Buch und der Dokumentarfilm über den  Kampf der Menschen für eine gesunde Umwelt, die Erhaltung der Natur und eine enkeltaugliche, giftfreie Zukunft machte die Gemeinde in kurzer Zeit in Europa bekannt. 

Schulers K(r)ampf

Für die Pestizidlobby und die Südtiroler Landesregierung war das Ergebnis der Abstimmung eine politische Schmach erster Ordnung. Agrar-Landesrat Arnold Schuler betrachtete sie nicht etwa als Kritik am ungehemmten Ausbau der Apfelplantagen mit dem steigenden Pestizid- und Gifteinsatz. Im Gegenteil: er setzte sofort alle Hebel in Bewegung, um die widerborstigen Malser und das Ergebnis der demokratischen Volksbefragung zu bekämpfen. Als erster sollte der Malser Bürgermeister Uli Veith zum Handkuss kommen. Seine eigene Landespartei wollte den SVP-Bürgermeister Mores lehren und betrieb seine Abwahl bei den Kommunalwahlen des Jahres 2015.

Arnold Schuler

Schulers Schuss ging aber zum Gaudium der Pestizidgegner_innen in den Ofen. Die Malser_innen standen mehr denn je hinter ihrem Bürgermeister und Uli Veith gewann die Wahl haushoch. Bozen war blamiert, wollte aber immer noch nicht zur Kenntnis nehmen, verloren zu haben. Neue Pläne wurden geschmiedet.

Volksbefragung soll jetzt für illegal erklärt werden

Wenn schon Veith nicht abzusetzen war, dann sollte die direktdemokratische Volksbefragung eben juristisch beseitigt  werden. Man wollte den Stimmbürger_innen in Mals das Recht absprechen, sich zu „Pflanzenschutzthemen“ direktdemokratisch zu äußern. Ganz so, als ob erwachsene Personen keine Ahnung von Agrargiften hätten. Die Volksabstimmung wurde vom Südtiroler Verwaltungsgericht für Null und Nichtig erklärt. Direkte Demokratie ist der Südiroler Landesregierung offenbar dann  ein Gräuel, wo es um die Gesundheit tausender Menschen geht. 

Die Mächtigen im Land sind außer Rand und Band

Weil der Ausgang zur endgültigen Nichtigkeitserklärung der direktdemokratischen Volksabstimmung unsicher erscheint, startete man in Bozen eine weitere geradezu unglaubliche Volte: Der Malser Bürgermeister Uli Veith wird auf die Rückzahlung von 24.000 Euro aus privaten Mitteln geklagt. Soviel hat angeblich die Volksbefragung gekostet, argumentiert der Südtiroler Rechnungshof, wo man sonst auch nicht so pingelig ist, wenn’s um die Herrschenden geht.  Weshalb die Forderung auf Rückzahlung? Weil die Volksbefragung ‚ungesetzlich‘ gewesen sein, argumentieren die Erbsenzähler. Veith hätte dafür die alleinige Verantwortung zu übernehmen. Und folglich die Kosten persönlich zu tragen. Für mich ist das ein ungeheurer Affront gegen direktdemokratische Elemente und ein Wahlergebnis, das eindeutig ausgefallen war.

Der Malser Bürgermeister Uli Veith bei der Präsentation der Studie des Umweltinstitutes München. Rechts im Bild: Pressesprecher Fabian Holzheid des Umsweltinstitutes.

Gift auf Kinderspielplätzen. Aber: „Kinder essen kein Gras“

Neue Ungemach für die Apfelbarone brachte das Ergebnis einer Kinderspielplatzstudie vor einem Jahr. Auf Spielplätzen im Vinschgau wurden nämlich Pestizide gefunden. Schulers Krisenbekämpfer_innen waren sofort zur Stelle und gossen Öl mit altbackenen Argumenten auf die Wogen des Volkszorns. ‚Kinder essen kein Gras’. Und wenn doch? „Dann müssten Kinder 140 kg essen um sich zu vergiften“. Viel blöder und primitiver kann man kaum argumentieren. Kein Wort davon, dass es ein ganzer Cocktail von Giften war, der an Spielplätzen konstatiert worden ist. Kein Wort davon, dass es unmöglich ist, langfristige Folgen der Vergiftung abzuschätzen. Und natürlich kein Wort zu den möglichen gesundheitlichen Auswirkungen der Gifte in den kindlichen Körpern.

Und jetzt: Gift in der Vinschger Luft

Mit der Veröffentlichung der Studie „Vom Winde verweht“ des Umweltinstitutes München e.V. bricht neues Ungemach über die Südtiroler

Der Leiter der Projektstudie, Karl Bär.

Landesregierung und die mit ihr unter einer Decke steckenden Apfelbarone herein. Denn die Ergebnisse der Studie sind eindeutig. Die Atemluft im Vinschgau enthält mit Ausnahme zweier Wochen während des gesamten Jahres Giftstoffe. Von Mitte März bis Ende August sind Mensch und Tier im Vinschgau sogar einer Dauerbelastung ausgesetzt. Inmitten der Plantagen ist die Belastung erwartungsgemäß wesentlich höher als etwa im Zentrum von Mals oder auf 1600 Höhenmeter in einem Seitental.

Was sehr schwer wiegt: zu dieser Zeit sind gleich mehrere Giftstoffe in der Luft. Welche gesundheitlichen Folgen ein solcher Giftcocktail haben kann ist überhaupt noch nicht erforscht.

Die Münchner haben das Messprojekt unter der Leitung von Karl Bär M.A. durchgeführt. Die vollständige Untersuchung mit allen Messergebnissen finden Sie auf der Website des Umweltinstitutes.

Jetzt ist endgültig Schluss mit der Mär, wonach die Abdrift von den Pestizidgegner_innen überbewertet oder gar ‚herbeigeredet‘ werde. In Schlinig, einem Seitental des Vinschgau, wurden nämlich auf 1.600 m Seehöhe insgesamt sechs Pestizide in der Luft gefunden. Und das kilometerweit entfernt von den mit Giften traktierten Apfelplantagen. 

Schuler gibt Entwarnung ohne auch nur ein einziges Messergebnis zu kennen

Bereits am Tag vor der Pressekonferenz des Umweltinstitutes München im BIO-Panoramahotel Mals hat Landesrat Arnold Schuler Entwarnung gegeben. Als wenn ihm die Bevölkerung in Sachen Agrogifte noch ein Wort glauben würde. Ohne auch nur ein einziges Messergebnis zu kennen postulierte er in den Dolomiten: „Null Toleranz. Null Gefahr für die Gesundheit“.

Was soll man dazu sagen? Er, der immer Fakten vor Fiktion fordert, liest die Zukunft offenbar aus Glaskugeln. Wiegelt ab. Streut den Südtiroler_innen Sand in die Augen und behauptet Dinge, für die er keinerlei Beleg zitiert. Sein „Null Gefahr für die Gesundheit“ ist sogar ein Freibrief für die Pestizidanwendung. Wofür ‚Null Toleranz‘ steht würde mich nun noch lebhaft interessieren. Vermutlich meint er keine Toleranz bei den Überbringern der schlechten Botschaft, also keine Toleranz bei den  Malser Widerständlern.

Zu allem Überfluss wirft er den deutschen Wissenschaftern vor, ein „Spiel mit den Emotionen der Menschen“ zu betreiben. Aber er gibt die völlige Entwarnung auch angesichts der wissenschaftlich erhobenen Fakten, wonach in der Vinschger Luft ganzjährig Giftstoffe enthalten sind. Von den Gift-Cocktails spricht Schuler lieber nicht, obwohl sie noch weitaus gefährlicher sein könnten als Einzelgifte.

Schulers pfeift bereits im Walde

Wie ich das sehe? Schuler übt seit langem das berühmte Pfeifen im dunklen Wald. Er hat Angst, dass der Pestizid-Zeitzünder vorzeitig losgehen könnte.  Nicht nur für mich ist es lediglich eine Frage der Zeit, wann die Konsument_innen genug vom Tarnen und Täuschen der Pestizid-Konzerne und vom Gift im Essen und dem Geschwurbel von Landesräten haben. Und einfach keine Südtiroler Äpfel mehr kaufen.

Sicher bin ich mir aber heute schon, wen Schuler dann zum Schuldigen erklärt. Nein, nicht die giftspritzenden Apfelbarone sondern die Malser, die sich das nicht gefallen lassen wollen. Denn in Südtirol wird noch immer der Überbringer der schlechten Botschaft geköpft.

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