Die Überraschung ist gelungen: Als Mitglied des Vereins ‚Pro Vita Alpina‘ erhalte ich als Gegenleistung für meinen Mitglieds-Beitrag einmal im Jahr eine hochinteressante, quasi exklusive Veröffentlichung.
Heuer ist’s eine informative, bisweilen kuriose Sammlung von Begebenheiten aus dem Ötz- und Schnalstal. Die mit alten Fotos gestaltete Broschüre trägt den Titel: „Hören Sie einmal wieder ein Wort aus unserem Tale. Ötztal und Schnals in Zeitungsberichten und Bildern 1848 und 1918. Gestaltet von Manfred Schwarz und Annemarie Hofer.“ Die jüngste Publikation ist Band 29 der Schriftenreihe des Ötztal-Archivs. Da ist man gerne Vereinsmitglied! (Wo und wie man’s werden kann seht ihr unten.)
Für alle, die diesen sehr aktiven Kulturverein noch nicht kennen: Pro Vita Alpina wurde 1972 von Prof. Dr. Hans Haid als Arbeitsgruppe gegründet und besteht seit 1989 als Verein. Der Tätigkeitsbereich der wahrhaft ‚klassischen‘ Kulturinitiative erstreckt sich über den ganzen Alpenraum. Ein reiches Angebot kultureller Veranstaltungen, Feldforschungen und Publikationen prägt das Vereinsleben.
Ein Panoptikum der Jahrhundertwende
Es ist ein buntes Sammelsurium teils kurioser, teils ernster Pressemeldungen Südtiroler- und Nordtiroler Zeitungen, das die neue Publikation zu einem wahren Lesevergnügen macht. Da ist die Rede von Fremden, die sich unanständig benehmen. Oder einem diebischen Leckermaul, das bei seinen Einbruchstouren Wert auf gutes Essen legt. Lustig die Schilderung eines Bauern, der sich als Jäger betätigt, weil ihm gemeldet wird, im Roggenacker befände sich ein Fuchs. Der hatte allerdings im toten Zustand einen Rüssel und ein Sauschwänzchen. Wer hinter einem Geist steckte, der dereinst in einem Ötztal-Bahnhof für wahren Horror gesorgt hatte ist wenig überraschend und nicht uninteressant.
Die ausgewählten Zeitungsmeldungen und Bilder eröffnen auf 60 Seiten informative und höchst unterhaltsame Einblicke in Lebenswelten im Ötztal und Schnalstal, garniert mit Zahlen aus dem frühen Tourismus. Manfred Schwarz und Annemarie Hofer lassen eine Zeit auferstehen, in der noch der Kaiser regierte und die Ausdrucksweise in Zeitungen eine andere war. Einige der hier verwendeten Fotos habe ich der exzellenten Tiroler Plattform Sagen.at entnommen.
Die Transhumanz verbindet die Täler seit tausenden von Jahren
Mit der neuen Publikation trägt Pro Vita Alpina wiederum dazu bei, das historische Verständnis und das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen Nord- und Südtirol zu fördern. Die Zäsur des Friedensvertrages von St. Germain mit der abrupten politischen Teilung des Landes hatte tiefe Spuren hinterlassen, die bisweilen heute noch sichtbar sind. Wenngleich im Innersten Ötztal die Uhren immer schon etwas anders getickt haben. Die intensiven Verbindungen zwischen Vent und Gurgl mit dem Schnals- bzw. dem Passeiertal auch nach der staatlichen Trennung nie abgerissen. Als sichtbares Zeichen dafür gilt heute noch die Transhumanz der Schafe zwischen Nord- und Südtirol, die mit Recht beidseits der Grenze zum immateriellen UNESCO-Kulturerbe erklärt worden ist.
Die Zeit der Entstehung des Tourismus
Die zweite Hälfte des 19. und die ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts dürfen als Geburtsstunden des Alpintourismus im Ötzal bezeichnet werden. Schon damals hatte das Ötztal ein ‚Alleinstellungsmerkmal‘: der über den Gletscher führende Weg von Vent über das Hochjoch ins Schnalstal. Und schon damals bewiesen die Ötztaler ihr Talent, mit Touristen gutes Geld zu verdienen. Sie führten ihre Besucher nicht nur zu Fuß über das Eis zum Joch, sondern richteten gleich auch einen Schilttentransport ein. Da rollte der Rubel.
Kaum Tourismus und schon Schattenseiten
Der immer beliebter werdende Übergang über das Hochjoch vom Ötz- ins Schnalstal zeigt denn auch gleich die Schattenseiten des Fremdenverkehrs auf. Im Südtiroler Volksblatt vom 12. 8. 1865 wurde denn auch beklagt, dass nicht nur reiche Engländer und Berliner über das Joch reisen. „Auch Gesindel reist hier, das sich auf der Landstraße nicht fortzubringen vermag.“ Man solle doch einen zweiten Dorfpolizist einstellen.
„Fehlendes Verständnis für eine Straße“: Sölden wehrt sich gegen einen Straßenbau
Das waren noch Zeiten, als sich die Sölder gegen den Ausbau der Straße bis in ihr Dorf wehrten. Der Eisenbahnbau brachte Touristen nach Ötztal-Bahnhof, von wo aus sie weiter reisen mussten. Obwohl die Straßen bisweilen eher Saumpfaden glichen. Die Sölder wollten nicht so leicht erreichbar sein. Böse Zungen behaupteten damals, die Fuhrleute des Ortes seien gegen den Ausbau, weil sie dann Konkurrenz erhielten.
Telefon und elektrisches Licht
In Längenfeld wurde Anfang 1896 das elektrische Licht eingeführt, das dann im in den Gasthöfen Stern, Grüner und Karlinger die finstere Nacht erleuchtete. Wobei moderne Technik auch Tücken haben kann, wie aus einer Meldung vom 20. 1. 1910 hervorgeht. „Die Ache ist fast ohne Wasser, so daß die Elektrizitätswerke nur rote Fäden in den Lampen erzeugen….“ Als überaus vorteilhaft wird in der damaligen Presse die Erfindung des Telefons gefeiert.
Gletscherausbrüche und Dorfbrände
Meldungen über Gletscherausbrüche, winterliche Schneefälle im Sommer, Steinschläge und Vermurungen machen deutlich, mit welchen Problemen die Menschen damals zu kämpfen hatten. Auch von Dorfbränden ist die Rede. Im Mai 1891 brannten in ‚Unser Frau in Schnals‘ mehrere Häuser ab, fünf Menschen verbrannten. Am 1. Juli 1905 vernichtete ein Großfeuer in Tumpen 10 Wohnhäuser und zahlreiche Stallgebäude.
Die Heuschrecke auf dem Gurgler Ferner
Auf dem Gurgler Ferner wurde im September 1861 eine Heuschrecke gefunden wurde, „die durch ihre Größe auffiel“. Der gerade in Gurgl anwesende Innsbrucker Naturforscher und Universitätsprofessor Dr. Pichler „erkannte selbe als Wanderheuschrecke“. Wie das Tier auf den Gletscher kam konnte auch er nicht erklären.
Tot geglaubte leben länger
Die Innsbrucker Nachrichten berichten am 8. 1. 1915 von einer Falschmeldung. Die für einen Kaiserjäger bereits gelesenen Seelenmessen waren quasi für die Katz, da er sich kurz danach bei Bekannten lebend gemeldet hatte. Ähnlich glücklich musste auch ein Hahn sein, der 1906 in Schnals nur knapp dem Tod entrann. Bei einem Erdbeben (!!) fiel in einer Küche ein Ofentürl zu Boden und hätte „beinahe den Haushahn, welcher eben in der Nähe war, totgeschlagen.“ (Meldung vom 4.4.1906 in Der Burggräfler)
Der Geist von Ötztal Bahnhof
Ihr wollt noch wissen, was es mit dem Geist in Ötztal-Bahnhof auf sich hatte? Der verbreitete im November 1913 in der Wohnung des Bahn-Stationschefs Angst und Schrecken, wie der Tiroler Volksbote vom 28.11. 193 berichtet. Man sprach vom ‚Stationsgeist‘. Die Gendarmerie rückte mit gezücktem Säbel an, fand den Geist aber nicht. Schließlich stellte sich heraus, dass das Dienstmädchen selbst den Geist gespielt hatte um sich ‚herzhaft zu ergötzen‘. Worauf sie eine Gerichtsvorladung erhielt.
Meine Empfehlung: eine Vereinsmitgliedschaft bei Pro Vita Alpina
Ein Mail an die Geschäftsführerin Florentine Prantl genügt, und schon kommt man in den Genuss eines feinen Kulturprogramms und einer jährlich sorgsam gestalteten Broschüre. Auch Restexemplare der neuesten Broschüre sind noch in den Raiffeisenkassen des Ötztales erhältlich. Frau Florentine Prantl hat noch einige wenige Broschüren im Bestand. Wer zuerst kommt (und Mitglied wird) mahlt wie immer zuerst.
pro vita alpina, Geschäftsführerin Florentine Prantl, Oberlängenfeld – Widum
A-6444 Längenfeld, Österreich
per Email:
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