Die Glaskunst der Lobmeyr-Dynastie im Augustinermuseum zu Rattenberg

Das Augustinermuseum Rattenberg präsentiert noch bis zum 26. Oktober Glanzstücke  österreichischer Glaskunst aus der Sammlung Lobmeyr. Höchst sehenswert, wie ich meine.

Endlich weiß ich, weshalb Rattenberg ein ‚Glasstädtchen‘ ist. Und weshalb in Kramsach eine Glas-Fachschule existiert. Bei einer Ausstellung exquisiter Glaskunst aus der Sammlung Lobmeyr  im feinen Augustinermuseum zu Rattenberg, die noch bis zum 26. Oktober geöffnet ist, habe ich die Antworten aus erster Hand erhalten.

Eine einstige Zollstation wird zur Glasstadt

Eine Frage beschäftigte mich schon sehr lange. Weshalb ist Rattenberg eigentlich ein ‚Glasstädtchen‘? Ich wusste nur soviel, dass der Ort im ausgehenden Mittelalter als Zollstation für zweifelhafte Furore gesorgt hatte. Innschiffe und allerlei Karren und Kutschen hatten hier für die Weiterfahrt Weggeld zu bezahlen. Rattenberg lag ja lange auf bayerischem Gebiet. Kaiser Maximilian zog dann die Grenze neu, seither ist die Stadt ein Teil Tirols.

Rattenberg am Inn. Hier befand sich einst eine Zollstation. ©W. Kräutler

War Rattenberg vielleicht auch deshalb dem Glas zugetan, weil Kramsach die ‚Fachschule für Glastechnik und Gestaltung‘ beherbergt? Wäre eigentlich logisch, denn hier siedelte sich bereits 1627 eine Glashütte an. Den entscheidenden Anstoß zur Gründung einer Fachschule machten dann aber die Mitglieder der österreichischen Glasverleger-Dynastie Lobmeyr, die mehr als 300 Jahre später am Ende des 2. Weltkrieges im Unterinntal Zuflucht gesucht hatten. 

Wie eine große Idee an der Tiroler Realität abprallt

Die kleine, ungemein feine Ausstellung „Tradierte Glaskunst“ der Sammlung Lobmeyr Wien im Augustinermuseum bringt nicht nur Licht in die Zeit des Aufbaus nach dem 2. Weltkrieg sondern schildert auch die unermüdlichen und schlußendlich gescheiterten Versuche dieser Glas-Dynastie, Tirol zu einem Zentrum der handwerklichen Glaserzeugung zu machen. Denn kurz vor dem Krieg stellte die Familie Lobmeyr auf Einladung von Daniel Swarovsky in Wattens einen Auftrag über Kristallluster quasi notgedrungen in Wattens fertig, die für ein Schloss in Polen bestimmt waren. Viele sudetendeutsche und böhmische Glasmacher setzten sich zu Kriegsende auf Einladung der Glasfamilie Lobmeyr nach Tirol ab. Es war ein wahrhaft magischer Zustrom anerkannter Kunsthandwerker. Da lag es nahe, über den Aufbau von Glasmanufakturen in Tirol nach zu denken. Allein, die Tiroler lehnten entrüstet ab.

Die gelblich schimmernden Zirkonium-Steine in einem Lobmeyr-Luster in der Ausstellung. Solche Steine erzeugte einst Swarovski. ©W. Kräutler

15.000 Kriegsopfer verwahrten sich einmütig…

Das Vorhaben scheiterte mit allerlei öffentlichem Getöse an den Tiroler Politikern und vor allem den Bauern. Die fürchteten, fruchtbares Ackerland an Gewerbeansiedlungen zu verlieren. Ein gutes Beispiel für die lautstarke Ablehnung ist Stams, wie diese Zeitungsnotiz aus der Nachkriegszeit belegt.

„…15.000 Tiroler Kriegsopfer verwahren sich einmütig gegen die Verlagerung solch zweifelhafter Industrien nach Tirol…“ Bild: Lobmeyr-Archiv

Auch deshalb verlegten die Lobmeyrs ab 1948 ihre Tätigkeit wieder nach Wien. Übrig geblieben ist indes die Glas-Fachschule in Kramsach, die auf einer Lobmeyr-Idee basiert. Die Schule fand zuerst im historischen Gasthaus Traube in Rattenberg Unterschlupf, bevor ein eigens gegründeter Verein den Schulort in Kramsach wählte. Dass diese Schule immer noch von einem privaten Verein geführt werden muss ist eigentlich unverständlich und ein ‚Erbe‘ der harschen Ablehnung  von Glasmanufakturen durch die Politik nach dem Krieg.

Das frisch renovierte Gasthaus Traube in Rattenberg war der erste ‚Sitz‘ einer Glasfachschule. ©W. Kräutler

Schade, wenn man bedenkt, daß das Lobmeyr-System auf unabhängigen Manufakturen aufbaut. In der Glashütte werden die ‚Glasrohlinge‘ nach vorgegebenem Design hergestellt und geformt, die dann von Meistern in Heimarbeit zu wahren Kunstwerken gemacht werden. Lobmeyr fungiert als ‚Verleger‘, der die Designs entwickelt und in konkrete Produkte umsetzen lässt. Da wären in Tirol hunderte von Arbeitsplätzen geschaffen worden.

Lobmeyr feiert heuer das 200jährige Firmenjubiläum

Ich hatte das Vergnügen, von Prof. Peter Rath durch die Ausstellung geführt zu werden. Er stellt die 5. Generation dieses einzigartigen Familienunternehmen dar, das genau vor 200 Jahren in Wien gegründet worden war. Im Bild: Prof. Peter Rath gestaltete die Ausstellung im Augustinermuseum in Rattenberg, die auch einen Einblick über die einstige Tätigkeit seiner Familie in Tirol gibt. ©Lobmeyr

Der Durchbruch vor 200 Jahren: Ein Auftrag für Kaiser Franz-Joseph

Der Glasermeister Josef Lobmeyr startete 1823 gemeinsam mit seiner Gattin Aloisia in der Weihburggasse in Wien eine Glaserei und entwickelte bald schon eigene Glas-Designs im damals typischen Biedermeierstil. Ein Riesen-Auftrag des Kaiserhauses über Karaffen und Kristallglas für Schloss Schönbrunn katapultierte Lobmeyr in die ‚Superliga‘ der Unternehmen in der Donaumonarchie. Ab sofort durfte die Familie den k&k-Adel zu ihren Kunden zählen. Die Familie zählte fortan zu einer der reichsten in der Monarchie. Eine der damals für den Kaiser hergestellten Karaffen wird übrigens in der Ausstellung im Augustinermuseum gezeigt. Natürlich versehen mit einer meisterhaften Gravur des k&k-Doppeladlers.

Die ‚Kaiserkaraffe‘ mit der wunderbaren Gravur des Doppeladlers in der Ausstellung. Bild: W. Kräutler

Nach dem Bau der ‚Kaiser Ferdinand Nordbahn‘ war es möglich, Glashütten im waldreichen Böhmen anzusiedeln. Denn Glashütten hatten einen riesigen Verbrauch von Brennholz. Damals  entstanden die berühmten ‚Böhmischen Glasmanufakturen‘. Sie beinhalteten neben Glashütten, in denen das Rohglas entstand alle nachgeordneten Handwerke wie Schleifer oder Graveure. 

Große Gravierkunst: der Doppeladler auf der ‚Schönbrunn-Karaffe‘ von Lobmeyr. ©Lobmeyr

‚Wiener Werkstätten‘ und ‚Art Deco‘: untrennbar mit Lobmeyr verbunden

Die Zeit von der Jahrhundertwende um 1900 bis nach zum Beginn des 2. Weltkriegs darf dann mit Fug und Recht als  eine Hochblüte in der Geschichte der Lobmeyr’schen Glaskunst bezeichnet werden. Es war die Zeit der ‚Art Deco‘. In Wien entwickelten die Designer der ‚Wiener Werkstätten‘ eine bis heute kaum erreichte Meisterschaft des Glasdesigns, dessen Umsetzung in den Lobmeyr’schen Manufakturen erfolgte.

Unglaublich modern: Der Trinkbecher ist ein Erstentwurf von Josef Lobmeyr aus dem Jahre 1835. ©W. Kräutler

Von Josef Hoffmann und Koloman Moser gegründet, stand die Wiener Werkstätte’ für eine revolutionäre Neuinterpretation des Kunstgewerbes. Die ästhetische Durchdringung sämtlicher Lebensbereiche war das Ziel. Es entstand eine internationale Marke mit eigenständigem „wienerischen“ Stil, der nicht nur die Überwindung des Historismus, sondern auch die Entwicklung vom floralen Jugendstil hin zu einer geometrisch-abstrakten Gestaltungsform vollzog.

Josef Hoffmann und Adolf Loos arbeiteten exklusiv mit Lobmeyr zusammen

Die Ausstellung im Augustinermuseum zeigt denn auch ‚Prunkstücke‘ aus der Sammlung Lobmeyr.  „Wir besitzen ja noch immer sehr viele Entwurfszeichnungen von Josef Hoffmann“ erzählt Peter Rath. „Der Meister hatte erlaubt, all seine Ideen in die Realität umzusetzen. Was Lobmeyr auch heute noch praktiziert.“ 

Die ‚Hoffmann-Bronzit-Serie‘ des großen Designmeisters Josef Hoffmann. Bis heute unerreicht.. ©Lobmeyr

Die enge Zusammenarbeit zwischen den weltberühmten Designern der Wiener Werkstätten und der Glasverlegerfamilie Lobmeyr kann am besten durch eine revolutionären Entwurf von Adolf Loos veranschaulicht werden. „Der große Meister schickte meinem Großvater Stefan einen Zettel, auf dem Rechtecke dargestellt sind. Als er Loos frage, was das soll hat dieser geantwortet: ‚Das ist mein Glas-Service‘.“ Stefan Rath empfahl daraufhin Loos, den Glasboden mit Diamant-Schliffen zu versehen. Was dieser dankend akzeptierte. Sein Designentwurf ist unten abgebildet. Es erscheint geradezu einfach, Großartiges zu entwerfen. Der Diamantschliff auf Vorschlag von Stefan Lobmeyr war denn auch der Tupfen auf dem i des Loos’schen Meisterwerks, das meiner Meinung nach bis heute unerreicht ist.

Lobmeyr in Palästen, Opern, Theatern und Museen

Jahrzehnte hindurch bestanden Staatsgeschenke meist aus Lobmeyr-Meisterstücken, die heute noch die Paläste europäischer Königshäuser schmücken. Hans Harald Rath begann jedoch nach dem Krieg, neue und moderne Kristall-Luster zu entwerfen. Es entspricht der höchst erfolgreichen Familientradition, neue Formensprachen der Glaskunst zu entwickeln und nicht im Alten zu verharren. So entstand 1963 der wohl berühmteste Lusterentwurf des 20. Jahrhunderts für die Metropolitan Opera in New York. Er ist in der Zwischenzeit weltweit zu einem  Synonym für Lobmeyr geworden.

‚Starburst‘, locker übersetzt ‚Sternenexplosion‘ ist ein fantastischer Titel für diesen einzigartigen, weltbekannten Lobmeyr-Lusters für die Metropolitan Opera in New York.

Lobmeyr in Moskau, Mekka und Medina, London und New York

Der Lobmeyr-Kundenkreis scheint überhaupt keine Grenzen mehr zu kennen. Sogar der Oberste Sowjet lauschte die stundenlangen Reden des einstigen Sowjetführers Breschnew unter riesigen Lustern von Lobmeyr. Nahezu Unglaublich ist es aber, dass hunderttausende Muslime in Mekka und Medina im sanften Licht Lobmeyr’scher Lichtkunst beten. Denn die Moscheen in Mekka und Medina werden von tausenden Lobmeyr-Lustern erhellt. Dass Lobmeyr-Glaskunst im Museum of Modern Art MOMA in New York – um nur ein Museum zu nennen – für Erhellung sorgt scheint ist quasi logisch. 

Lobmeyr-Luster in der Moschee zu Medina. ©Lobmeyr

Ausstellung noch bis zum 26. Oktober

Es ist der zielstrebigen Arbeit der Direktorin des Augustinermuseums Rattenberg, Dr. Petra Streng  in Zusammenarbeit mit Fachlehrer Rudi Gritsch zu danken, dass die Ausstellung ‚Tradierte Glaskunst‘ der Sammlung Lobmeyr gezeigt werden kann. Die sehenswerte Ausstellung ist vom 28. September 2023 bis 26. Oktober 2023 täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr geöffnet.

LINKS

Website des Augustinermuseums Rattenberg: https://augustinermuseum.at/events

Lobmeyr Website: https://www.lobmeyr.at/

Adolf Loos: https://www.lobmeyr.at/stories/adolf-loos/

MOMA: https://www.lobmeyr.at/200-points/moma/

Josef Hoffmann: https://www.lobmeyr.at/crystal/hoffmann-bronzit-series-2/

Film: https://www.lobmeyr.at/stories/the-metropolitan-opera/