Der ‚Da Vinci von Tirol‘ und die Farbe Rot

Der Name Prachensky steht in Tirol für Architektur, Kunst und Innovation. Ihr ‚gemeinsamer Nenner‘ ist eine Farbe, nämlich die Farbe Rot. Eine eben erschienene Biografie des Architekten, Künstlers und Visionärs Michael Prachensky weist ihn nicht nur als Liebhaber dieser Farbe aus. Er ist auch ein gewichtiger Mosaikstein innerhalb dieser Familie.

Ein Steinkreis für Seefeld

Ich erinnere mich noch genau, als ich erstmals mit dem Namen Michael Prachensky konfrontiert wurde: es war der 12. April 2012. Damals besuchte ich den von ihm initiierten, hochinteressanten Steinkreis in Seefeld. Ich geb’s zu: man kann leicht mit gutem Gedächtnis angeben wenn das Datum auf dem Bild quasi digital mitgeliefert wird. Wenig später lernte ich ihn dann persönlich kennen.

Der von Michael Prachensky initiierte Steinkreis in Seefeld. Eine Hommage an die Vergangenheit des Ortes.

Im Mai 2019 interviewte ich ihn in seiner Funktion als Obmann des Fischereivereins Kaiser Maximilian am Wildsee in Seefeld. Er bekleidet damit eine Funktion, die im Prinzip auch schon Kaiser Maximilian I. Ausübte.  Seefeld hat den Ortsnamen ja nicht erfunden, was Maximilian zu verdanken ist. Er ließ zwei große Seen anlegen, um Fische für seine kaiserliche Tafel in Innsbruck zu züchten. Den Blogpost darüber könnt ihr HIER lesen.

Michael Prachensky als Obmann des Fischereivereins an seinem geliebten Wildsee samt wunderbarem Bergpanorama.

Bei meinem Besuchen von Michael Prachensky bretterten wir meist mit seinem Sportwagen durch die Gegend.

In den Folgejahren wurde mir bewusst, mit welch bemerkenswerten Persönlichkeit ich befreundet bin. Nun ist seine Biografie erschienen, die den visionären Architekten in seinen verschiedensten Rollen porträtiert: Als Künstler, Architekten und Visionär.

‚Ich bin kein Wandbehübscher‘ – Michael Prachenskys Buch ist im Berenkamp-Verlag erhältlich.

Rot wie Blut oder Rot wie Energie?

Die Farbe Rot ist unbestritten die ‚Familienfarbe‘ der Prachenskys. Der in Böhmen geborene Begründer der Dynastie, Josef Prachensky, kam auf seiner Wanderschaft Anfang des 20.  Jahrhunderts zuerst nach Wien, engagierte sich bei den Sozialisten und lernte Leo Trotzki persönlich kennen. Nach seinem Umzug nach Innsbruck wurde er Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei Tirols. Das ‚Prachensky-Rot‘ wurde also quasi ‚politisch’ geboren.

Der vielleicht berühmteste und bekannteste Prachensky trägt den Vornamen Markus und war einer der wichtigsten Vertreter der malerischen Avantgarde in Österreich. Seine Werke haben eine Gemeinsamkeit: Die Farbe Rot fehlt auf keinem der Bilder. Sein in Tirol bekanntestes Werk ist der sechs auf acht Meter große Gobelin im Saal Tirol der Dogana zu Innsbruck. https://kurier.at/kultur/prachensky-reisender-durch-die-farbe-rot/716.357

Und Michael Prachensky? Auch er huldigt dieser Farbe aufgrund seiner Forschungsarbeiten. Sein explodierendes Rot erinnere ihn an die Farbe der gasdynamischen Plasmaöfen. „Rot ist für mich die Farbe der Energie“, sagt er. Die Farbe äußert sich sogar in seiner Architektur wie etwa beim Innsbrucker AGES-Gebäude oder beim ‚Roten Haus‘ in Hötting. Die von ihm entwickelte Rot-Farbenmischung wurde in Deutschland analysiert und mit einer speziellen RAL-Nummer versehen.

Michael Prachensky wie er leibt und lebt. Hier bei einem seiner Einreichung ‚Kunst im öffentlichen Raum‘ anlässlich des 500. Todesjahres von Kaiser Maximilian. Er schlug vor, die Tunnelgalerie der Seefeld-Bahn in der Martinswand golden anzumalen. Keine schlechte Idee, wie ich meine. Bild: Prachensky

Die von Daria Daniaux verfasste und eben im Beerenkamp-Verlag erschienene Biografie des in Seefeld wohnhaften Michael Prachensky bringt quasi eine Ordnung in seinen Lebensweg. Das Cover? Blutrot, klar.  Interessant ist gleich einmal seine innerfamiliäre Einordnung, also der Stammbaum. Kurzbiografien der Verwandtschaft fehlen da ebenso wenig wie eine anschließende, ausführliche Darstellung seines architektonischen Wirkens. Großer Raum wird seiner Malkunst eingeräumt. Und zum Abschluss gibt’s eine vollständige Aufstellung seiner Ideen, andere sagen Visionen dazu.

‚Federführend‘ für seinen Vater tätig

Michael hatte mir einmal erzählt, dass er bei vielen Projekten seines Vaters Hubert Prachensky die Kärrnerarbeit zu verrichtet hatte und quasi im Hintergrund agierten. Michael, der an der Stuttgarter TU studiert hatte, war indes in Wahrheit an verschiedenen Großbauten ‚federführend‘ beteiligt. Ob bei der Planung der Technischen Universität Innsbruck, bei verschiedenen Gebäuden des Klinikbereiches in Innsbruck, der Innsbrucker Dogana oder dem Sport- und Kongresszentrum in Seefeld, Michael verrichtete meist die ‚Kärrnerarbeit‘ der Planung. „Mein Vater war halt ein richtiger Patriarch“ sagt er heute. 

Michael war federführend für seinen Vater tätig. Hier sein Entwurf des Gebäudes der Tiroler Gebietskrankenkassa in Innsbruck. Bild: Prachensky

„Schluss mit der Schuhschachtel-Bauweise“

Und das alles, obwohl er eigentlich einer anderen Architektur das Wort redete. „Die anthroposophische Architektur möge sich durchsetzen“ schrieb er in einem Manifest. Denn: „In der Natur gibt es keinen rechten Winkel!“ Er fordert eine ‚organische Architektur‘, die dem Menschen viel näher liege. „Schluss mit der Schuhschachtel-Bauweise“.

Prachenksys ‚Rotes Haus‘ in Hötting: eines der ersten Niedrig-Energiehäuser in Innsbruck. Bild: Prachenksy

Die Visionen des Kunst-Architekten

Der Esprit dieses Mannes bahnt sich in seinen dutzenden Ideen, Entwürfen und Visionen Bahn. Es ist der Autorin zu danken, die Ideen Prachenskys akribisch gesammelt zu haben um sie in der Biografie zu präsentieren. Sie nennt diese Sammlung „Alternative Energien und Ökovisionen“. 

Projekte mit Kultstatus: Talpino und Nuevo Atlantis

Ich will zwei dieser Visionen herausgreifen, die in Fachkreisen bereits einen Kultstatus besitzen. Zum Einen fasziniert mich heute noch das „Talpino-Projekt“. Dabei handelt es sich um ein Hochleistungssystem zur  unterirdischen Querung der Alpen zwischen München und Mailand. Es wäre tatsächlich die Lösung des gordischen Verkehrsknotens. Wenn da nicht die Kosten wären. Nicht zufällig errang das Projekt 2004 den Jurypreis im Bereich des  Staatspreisconsulting.  

Sein ‚Nuevo-Atlantis-Projekt‘, das zweite Kultprojekt und an Kühnheit kaum zu überbieten. Es würde Europa mit Afrika am Eingang des Mittelmeeres zwischen Gibraltar und Marokko mit einem Damm zu verbinden. „Das Ziel ist es, den Meeresspiegel im Mittelmeer auf dem Plus-Minus-Nullniveau einzustellen um Schäden durch den Meeresspiegelanstieg – vor allem an Venedig – zu verhindern. Ein Schleuse würde den Weg für Schiffe, Fische und Wasser frei geben.

Pracheskys ‚Alpen-Metro‘-Vorschlag. Bild: Prachensky

Seilbahnen für Innsbruck?

Ein weiteres visionäres Projekt entwickelte er aus der Erkenntnis heraus, dass der öffentliche Nahverkehr in Innsbruck wesentlich langsamer ist als der Individualverkehr. Für ihn ist eine völlig neue Art von ‚Seilbahnen‘ eine der Lösungsansätze, die Innenstadt vom Verkehr zu befreien. ‚Talpino-Light‘ nannte er seine Entwürfe. Eine solche Bahn schlägt er zwischen der Markthalle Innsbruck und der Hungerburg vor. Man sollte solche Ideen ja nicht sofort und für immer ins Reich der Träume verweisen. Denn in vielen Städten dieser Welt werden bereits Seilbahnen zur Verminderung des überbordenden Individualverkehrs verwendet.

Gernot Swarovski-Langes hat ihm das vielleicht schönste Kompliment gemacht. Er bezeichnete ihn als „DaVinci von Tirol“ während ihn gute Freunde als „Zweistein“ bezeichnen.

Bestellungen des Buches sind direkt beim Verlag möglich

Eine Haubenküche auf Rädern

Wenn in Innsbruck Menschen mit Tellern in der Hand auf einem Gehsteig stehend warten ist ein feines Mittagessen angesagt. Denn die Leute wollen bei ‚Woody‘s Schmankerlkiste‘ Streetfood auf Haubenniveau erwerben.

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Die TIWAG-Kraftwerkskette: pure ökologische Niedertracht

Tirol erzeugt seit 2008 wesentlich mehr Strom als das Land gesamthaft verbraucht. Mit dem Überschuss könnten wir heute schon zusätzliche 173.767 Haushalte bzw.  239.427 zusätzliche Elektroautos versorgen. Und trotzdem wollen ÖVP und TIWAG ganze Täler aufstauen, die letzten Wildbäche ableiten und den Sommer-Tourismus in Haiming quasi ins Trockendock schicken.

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Total regional: der Stelvio-Gin

Ist es möglich, jene einzigartigen Düfte, Gerüche und Geschmacksnoten, die eine Landschaft kennzeichnen, in einer Flasche zu konservieren? Ein Gin aus Stilfs hat genau das meisterhaft geschafft. 

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‚Alte Fäden’: Die Rückkehr mittelalterlicher Stick-Kunst

Eine junge Frau widmet sich in ihrer Manufaktur seit 15 Jahren einer Kunst, die ihresgleichen sucht. Sie hat die altehrwürdige, nahezu ausgestorbene Fertigkeit der mittelalterlichen Handstickerei zu neuem Leben erweckt. Das Ergebnis: „Alte Fäden“, einzigartige textile Meisterstücke und neue, exklusive Geschenkideen. 

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Neues Leben in alten Mauern: Der Wolfahof in Steinach

Man möchte es kaum glauben: In Tirol gibt es immer mehr junge Quereinsteiger_innen, die in der Landwirtschaft und in der Erzeugung hochwertiger Lebensmittel ihre persönliche Zukunft sehen.

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In Stein ‚geschrieben‘: Botschaften aus der Steinzeit

Weshalb haben Menschen in der Steinzeit Löcher in Steine gebohrt, die wir heute ‚Schalensteine‘ nennen? Bisher gab es nur wenig überzeugende Antworten. Das hat sich gründlich geändert.

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Christian Kopp – ein Bauer als BIO-Nahversorger einer Region

Er hat von Supermarktketten die Nase gestrichen voll. Als MPreis im Dezember 2020 eine Ladung seiner BIO-Süßkartoffeln wegen der Form der Knollen (!) ablehnte, war’s klar: Schluss mit ‚lustig’. Er wollte nicht als BIO-Feigenblatt herhalten. Gesagt – getan. Der Haiminger BIO-Bauer Christian Kopp ist inzwischen zu einem bedeutenden BIO-Nahversorger der Region Mittleres Oberinntal geworden. Die verschmähten Süßkartoffeln verschenkte er übrigens.

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Grünmandls Rückkehr in sein geliebtes Wohnzimmer

Immer wenn es im Innsbrucker Treibhaus ‚rund geht‘, ob beim Kartenabreissen, im Backstage-und Bühnenbereich oder im Restaurant: Hannes Pendl kümmert sich um Organisation und reibungslose Abläufe in Tirols Kulturtempel Nummer eins. Mir ist er bisher als ‚Chef vom Dienst’ aufgefallen, heute nennt man solche Tätigkeiten ‚Checker‘. Das ist aber nicht alles, was Hannes beherrscht.

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Ein Stern namens Zickeler

Es gibt sie noch, die legendären Wirts- oder Gasthäuser in Tirol. Eines dieser ‚letzten Mohikaner‘ steht in Haiming.

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Wer ist Markus Koschuh?

Seit mehr als zehn Jahre ‚mischt‘ der Kabarettist Markus Koschuh die Tiroler Politszene so richtig auf. Sein neuestes Programm ‚wOHNMACHT’ wird von Publikum und Presse bejubelt. Ich möchte endlich von ihm wissen, wie man Kabarettist wird. Und ob es spezielle Voraussetzungen dazu braucht.

Vor 15 Jahren war’s aus mit Lustig in Tirol. Endlich. Vorbei die Zeiten, in denen präpotente Politiker_innen mit selbstgerechter Selbstverständlichkeit tun und lassen konnten was sie wollten. Es war jene unsägliche Zeit, als  sie gemeinsam mit Dorfkaisern, Spekulanten, Tourismusfanatikern und Seilbahn-Potentaten quasi sakrosankt waren. 

Die Zeiten vor dem Koschuh.

Ich hatte noch Otto Gründmandl erlebt, den grandiosen Wortspieler, der freimütig bekannte: „Politisch bin ich vielleicht ein Trottel, aber privat kenn‘ ich mich aus“. Er hatte die Phraseologie zur Wissenschaft gemacht aber Politiker im Kabarett nicht namentlich genannt. Er hatte vielmehr den Typus der Politiker im Auge.

Mit Koschuh vollzog sich eine Art Wiedergeburt des Kabaretts in Tirol. Diesmal mit politischem Tiefgang und ohne Rücksicht auf Verluste. Defraudanten, Politgünstlinge und Korruptionisten aller Schattierungen bekommen seither ihr Fett ab. Nennt er doch – im Gegensatz zu Gründmandl – Roß und Reiter beim Namen. 

So kennt man ihn: Kabarett mit Schauspiel. ©Robert Meybach

Es ist interessant zu wissen, wem wir die Wiedergeburt des hochpolitischen Tiroler Kabaretts indirekt zu verdanken haben. Einer Kunstrichtung nämlich, die sich bei jungen Menschen großer Beliebtheit erfreut: dem Poetry-Slam. Aber ich fange von vorne an.

Witze sind Gift für Potentaten

Es ist bekannt: Mächtige hassen es, wenn man sich über sie lustig macht, vor allem, wenn man scheppernd über sie lacht. Sie wissen: es sind Witze, die ihre Macht schleichend untergraben. Perfekt vorgeführt in seinem fantastischen Programm ‚Agrargemein‘. Hier die Rede des Bürgermeisters:

Bereits Legende: Agrargemein

Genau das ist das Rezept eines auf den ersten Blick unscheinbaren ‚Mandles’, das sich in regelmäßigen Abständen über sie lustig macht. Sein Name: Markus Koschuh. Der bisherige Höhepunkt seines Schaffens ist das neueste Programm ‚wOHNMACHT‘. Eine faktengestützte, rasante Abrechnung mit Spekulanten, Politiker_innen und der Gier von Vermieter_innen. Oft unterbrochen von tosendem Lachen und Applaus des Publikums.

Ich hatte mich schon bei seinen vergangenen Programmen wie ‚Hochsaison‘ oder ‚Oben ohne‘ gefragt, wie er es schaffen kann, ein Bühnenprogramm in atemberaubendem Tempo so zu präsentieren, dass es Lachstürme auslöst. Markus kam mir oft vor wie jene Stimme aus dem TV-Apparat, die in einer enormen Rasanz den mündlichen Warnhinweis herunterrattert: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Arzt und Apotheker“. 

Dass er die stakkatoartige Geschwindigkeit auch in seinem neuen Programm ‚wOHNMACHT‘ als eine Art Stilmittel einsetzt machte mich neugierig: Wie und wo hat sich Markus sein Sprechtempo angeeignet? Was treibt diesen Mann eigentlich an? Und: wie wird man Kabarettist? Zuguterletzt: kann man in Tirol davon überhaupt leben?

Koschuhs ‚Lesung aus dem Grundbuch‘. ©W. Kräutler

Poetry-Slam als Initialzündung

Ein entscheidender Wendepunkt im Leben des 1977 in Innsbruck geborenen Kabarettisten war 2001 ein Besuch eines Poetry-Slams im von der Tiroler Politik später zu Grabe getragenen  Kulturgasthaus Bierstindl. Es musste gar eine Art ‚Damaskus-Erlebnis‘ gewesen sein, denn „bei der nächsten Poetry-Slam-Veranstaltung war ich dann schon Teilnehmer“ erzählt er stolz. Endlich konnte er das ausleben, was er immer gerne getan hat: mit Worten und der Sprache arbeiten.

Poetry-Slam als Vorstufe zum Kabarett. Hier ein Auftritt von Markus Koschuh am Dornbirner Spielboden.

Die dann folgende ‚Karriere‘ als Poetry-Slammer war ähnlich rasant wie seine Sprachgeschwindigkeit. Er gewann zweimal die Österreichische Meisterschaft und wurde sogar Vize-Europameister. Für alle, die sich darunter nix vorstellen können: Nach Wikipedia handelt es sich dabei um einen „literarischen Wettbewerb, bei dem selbstverfasste Texte innerhalb einer bestimmten Zeit vorgetragen werden und bei dem die Zuhörer anschließend den Sieger küren.“ 

Worte zum Leben erwecken

Markus Koschuh hatte aber bald Probleme mit der zehn Minuten-Begrenzung beim Poetry-Slam. Er hatte mehr zu sagen, als er in einen Poetry-Slam-Auftritt packen konnte, wollte er doch schon als Jugendlicher  ‚Worte zum Leben erwecken‘. Genau das konnte er aber mit Kabarett erreichen: profunde Texte, die er auf einer Bühne inszeniert. Und so war’s wiederum logisch, dass er seine ersten Schritte als Kabarettist auf der Bierstindl-Bühne machte ohne auf Poetry-Slam zu verzichten.

Worte werden in Koschuhs Programmen im wahrsten Sinn des Wortes zum Leben erweckt.

„Was mich reizt, hab’ ich immer gerne gemacht“

Die Suche nach seiner wahren Berufung dauerte einige Jahre und führte in einige Sackgassen. Nachdem er die Matura intensiver als andere, nämlich in mehreren Anläufen absolviert hatte begann er ein Volkswirtschaftsstudium. Nur um zu erfahren, was die Wirtschaft im Innersten zusammenhält. Er wandte sich entsetzt ab als er erkannte, dass ein Volkswirtschaftsstudium ein verkapptes Mathematikstudium ist. Worauf er sich der Germanistik zuwandte. Aber auch da ging’s nicht in die von ihm gewünschte Richtung, worauf er sich in mehreren Jobs versuchte. Bis er 2001 den Poetry-Slam kennen lernte. Seither ist viel Wasser den Inn herunter geronnen. Markus ist immer noch Poetry-Slammer, hat sich aber in der Zwischenzeit nicht nur hierzulande zu einem kabarettistischen Markenzeichen entwickelt.

„Ich will Wahrheiten präsentieren, die nicht allen genehm sind“

Was mich an Koschuhs Programmen fasziniert: er baut auf Zahlen und Fakten. Genau das unterscheidet ihn von sogenannten ‚Comedians’, bei dem es um eine schnelle Pointe geht. „Kabarett ist für ihn „nachhaltiger aufgebaut, theatralisch und politisch“. Bei Koschuh ist noch zu ergänzen: „deren Zahlen und Fakten recherechiert sind“.

Als einst investigativer Journalist weiss ich, wie zeitaufwändig und ermüdend, bisweilen sogar ätzend es ist, komplizierte Recherchen durchzuführen. ‚Check, check, Gegencheck’ lautet die Zauberformel. Genau das hat Markus nicht erst bei seinem neuestes Programm ‚wOHNMACHT‘ getan. Wer sich an seine im Programm ‚Agrargemein‘ verwendeten Fakten erinnert weiß, dass Koschuh genausogut ein blendender investigativer Journalist wäre. Jedenfalls attestiert ihm Kulturkritiker Markus Stegmayr in einer überaus positiven Kritik in der Tiroler Krone in Sachen komplexer Sachverhalte ‚eine beeindruckende und effektive Erklärungskomik‘.

Wie entsteht ein neues Programm?

„Mich muss ein Thema aufwühlen, denn nur dann kann ich authentisch sein“ antwortet er auf meine Frage, weshalb er zum Beispiel die Wohnungsnot in seinem neuen Programm thematisiert.  „Ich kenne ja das Problem der Wohnungssituation in Innsbruck aus eigener Erfahrung, kenne die Sorgen und Nöte der Leute. Meine Recherchen bei Expert_innen geben erste faktische Hinweise, wo der ‚Hund begraben‘ ist. Auch im Internet findet man allerlei Hinweise. Wer sich dann an’s Lesen des Grundbuches macht, findet dann noch höchst Überraschendes.“ 

Markus Koschuh in wOHNMACHT Foto: Thomas Böhm

Sechs Monate brauchte er, um das neue Programm ‚wOHNMACHT‘ auf die Beine zu stellen. „Das Thema hat mich natürlich schon vorher beschäftigt, also war der Einstieg nicht sehr schwer“. Im Gegensatz dazu benötigte er für sein bislang erfolgreichstes Programm Agrargemein eine jahrelange Vorlaufzeit, bis er diesen Tiroler Urskandal in ein Programm gepackt hatte.

Als Schulbub vor Publikum umgekippt

In allen seinen Programmen singt er auch. Das dürfte auf eine Art kindliche Sozialisierung zurückzuführen sein. Denn, so erzählt er gerne, er hätte als sieben- oder achtjähriger an einem Landes-Volksschulsingen mit seiner Schulklasse im Congress teilnehmen sollen. Er sei aber beim Betreten der Bühne angesichts der Zuschauer in Ohmacht gefallen und erst wieder im Sanitätsraum aufgewacht. 

Klein-Markus kippte einst vor Puiblikum um. Quasi.

Das Singen holt er nun offenbar in seinem Kabarettistenleben offensiv und ausgiebig nach. Vor Publikum fällt er sicher nicht mehr um. Im Gegenteil. Heute bevorzugt er ein kurzes Schlaferl vor dem Auftritt um ausgeruht ans Werk zu gehen. 

Ein Kabarettauftritt als Gemeinschaftsleistung

Eine Schauspiel- oder Sprachausbildung wollte er aus verschiedenen Gründen nicht absolvieren. Vor allem, um seine Authentizität, quasi sein Idiom zu wahren. „Ich bin _Autodidakt“ sagt er stolz. „Ein Bühnendeutsch wär kontraproduktiv für einen Tiroler Kabarettisten“.

Wer glaubt, ein Kabarettist und ein Beleuchter würden zur Bewältigung eines Programmes ausreichen täuscht sich gewaltig. Das beginnt schon bei der Gestaltung eines Plakates, für das Günter Hofer mit seinen „genialen Ideen“ verantwortlich zeichnet.

Auch im neuen Programm spielt der Sound- und Lichtdesigner Tom Neumeyr („ein wunderbarer Typ“) auch gleich eine nicht unwesentliche Sprechrolle. Ebenso Lisa Hörtnagl, die für die weibliche Stimme aus dem Off verantwortlich ist. Und das alles bringt Harald Windisch als Regisseur so richtig unter einen Hut.

Dass Markus Koschuh seine Premieren (mit Ausnahme einer Premiere während der Covid-Zeit) stets im Treibhaus abhält hat einen ganz einfachen Grund: „Der Norbert (Pleifer) scheißt sich gar nix. Dem kann niemand damit drohen, dass ein Koschuhauftritt vielleicht nicht so günstig wäre, wie das am Land bisweilen vorkommt.“ Dass er überhaupt ein Leben als Kabarettist führen könne sei aber vor allem seiner Frau geschuldet, die ihm den Rücken freihält. 

Die Frage, ob er von seinen Auftritten leben kann bejaht Markus freimütig. „Gut sogar“, meint er. Wie sehr man seine Kabarettprogramme schätzt zeigen Einladungen nach Wien und Salzburg. Zweimal noch gibts die ‚wOHNMACHT’ im Treibhaus, dann in der Leutasch und in Tux. Über Weihnachten dann sein Schenkelklopfer, den ‚Jahrmarkt der Heiterkeiten‘. Details zu seinen Auftritten entnehmt bitte der Koschuh-Website https://www.markuskoschuh.at/termine-2/

Koschuh-Fans lieben auch die Jahresrückblick des Kabarettisten.

Kabarett-Nachwuchs

Es ist die Tiroler Kabarett-Nachwuchszene, um die sich Markus verstärkt kümmern will. Das Argument, sich selbst quasi die Konkurrenz heranzuzüchten lässt er nicht gelten. „Nur eine lebendige Szene ist eine gute Szene“ sagt Koschuh und ergänzt: „Wenn Gutes nachkommt muss man sich selbst ja auch am Riemen reißen.“ 

TERMINE:

Achtung: am 14. und 15. 10. vorerst letzte Vorstellungen von wOHNMACHT im Treibhaus Innsbruck

20.10., wOHNMACHT im Ganhofermuseum Leutasch

12.11. wOHNMACHT im Tux-Center in Tux.

‚Organisierte Direktvermarktung‘ in den Tiroler BIO-Bauernläden

Die derzeitige Krisensituation erinnert uns alle daran, dass unser industrieller Lebensstandard und somit unsere Versorgung mit Lebensmitteln auf schwankendem Untergrund steht. Schon ist die Rede von Kunstdünger- und Chemie-Engpässen. Ich möchte hier erneut eine Lanze für jene Bauersleute brechen, die ihre Höfe unter Einhaltung strenger BIO-Richtlinien bewirtschaften. Und damit einen enorm wichtigen Beitrag zur Versorgung leisten.

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Der BIO-Berghof Rohr und die selbstbestimmte Zukunft

Eine junge Bergbauernfamilie hat den Stier quasi an den Hörnern gepackt. Die extrem verschärften Tierhaltungsbestimmungen der BIO-Verbände nahm sie zum Anlass, Stall und Tenne neu zu bauen und den Hof ‚zukunftsfit‘ zu machen. Ab sofort ist die Familie Schwaiger nicht mehr von Preisen abhängig, die ‚der Weltmarkt‘ vorgibt. Sie vermarktet neben Fleisch nun auch die Milchprodukte selbst. Dabei kann die BIO-Bauernfamilie auch auf einige SPAR-Nahversorger und einen Hofladen bauen, die die BIO-Produkte als ehrliche, regionale Spezialität anbieten.

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Unsere WAMS-Läden in Tirol: Second Hand und fast wie neu.

In Tirol gibt es eine fantastische, viel zu wenig bekannte Alternative zu den textilen Schund- und Plunder-Geschäften. Ihr Name: WAMS. Dahinter verbirgt sich eine überaus erfolgreiche Tiroler Sozialinstitution.

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Die Mystik Südtiroler Berge

Es ist wie die Rückschau auf eine verfließende Welt, die vor unser aller Augen versinkt. Und dennoch vermittelt sie eine leise Hoffnung. Dass nämlich einige geheimnisvolle Oasen in den Südtiroler Bergen  überleben werden. Der Bildband „Mystische Orte in Südtirol. Wasser, Kulte, Mythen“ schildert die Reise zweier Autoren in eine entschwindende Welt, in der Berge heilig waren und die Natur höchsten Respekt genossen hatte. 

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Österreichs Perle: der Nationalpark Hohe Tauern

Ich stelle ein weiteres Buch vor, das direkt mit Tirol zu tun hat und sich hervorragend als Weihnachtsgeschenk eignet. Es ist quasi ein Jubiläumsbuch.

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Flucht über die Alpen. Das Drama der Holocaust-Überlebenden

Ein bisher viel zu wenig beachtetes Buch hat Hans-Joachim Löwer im heurigen Frühjahr vorgelegt: „Flucht über die Alpen. Wie jüdische Holocaust-Überlebende nach Palästina geschleust wurden.“

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Neugier als Triebfeder. Die Leidenschaften des Joe Bertsch

Das einstige hoch aufragende Schloss zu Thaur war vor einigen Jahren noch ein Geröllhaufen. Bis sich ein Mann der Sache annahm und einen Geschichtsverein gründete. Die Schlossruine erstrahlt inzwischen in saniertem Glanz, der Schlosshügel ist zum exklusiven Erholungsgebiet geworden. Und dem kleinen Museum mit den örtlichen Fundstücken wurde der Museumspreis 2020 verliehen.

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Die ‚Guten Frücht‘ von Regula Imhof

In Raitis und in der Nähe von Hall produziert Regula Imhof BIO-Obst. Und beweist eindrucksvoll, dass Obstbau auch ohne toxische Chemie möglich ist. Ganz abgesehen davon, dass BIO-Obst völlig anders schmeckt als billige Industrieware.

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Ein kleiner SPAR-Laden in Telfes zeigt wie’s geht

Gäbe es eine ‚rote Liste’ bedrohter Infrastruktur in kleinen Gemeinden, die einst ‚Gemischtwarenladen‘ genannten Geschäfte würden dazu gehören. Ich habe eines davon besucht, das mit neuen Methoden nicht nur für Furore auf Facebook sorgt.

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Wer keine Vergangenheit mehr hat, der hat auch keine Zukunft

Eine vorsommerliche Reise bescherte mir eine Erkenntnis der besonderen Art. Traditionelles, bisweilen sogar uraltes Wissen spielt eine wichtige Rolle bei der Bewältigung der Zukunft. In Innervillgraten wird dies erneut belegt.

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Von Schmirn nach Navis. Eine Überschreitung.

Ich liebe es, von einem Tal in ein anderes zu wandern. Eine erste diesbezügliche Erfahrung habe ich in Tirol mit einem Spaziergang vom Valsertal ins Schmirntal gemacht. Und jetzt geht’s weiter: von Schmirn über die Kluppenalm nach Navis auf dem Wipptaler Höhenweg.

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Südtirol vom Feinsten

Die renommierte Reisebloggerin Lea Hajner präsentiert ihre neuesten Empfehlungen für ‚Abstecher‘, ‚Ausflüge‘ und ‚Mini-Urlaube‘ in den schönsten Gebieten Südtirols. „52 kleine und große Eskapaden in Südtirol“ nennt sich dieser moderne Reiseführer, der eigentlich in keiner Reisebibliothek von Bergfreunden fehlen sollte.

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‚Glatzl Gold‘ im Olymp der Whiskeys

Riesenerfolg für den Haiminger BIO-Whiskey „Glatzl Gold“ bei der ‚International Whisky Competition‘ in den USA. Mit sensationellen 85,33 von 100 Punkten schaffte der BIO-Whiskey den Sprung in den Whiskey-Olymp. Dieser grandiose Erfolg ist ein Beleg dafür, wie aus einem einstigen ‚Abfallprodukt‘ ‚Gold‘ gemacht werden kann.

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Das schönste Erlebnisdorf Tirols: Die Knappenwelt Gurgltal

Es ist mit Sicherheit das originalste und schönste ‚Erlebnisdorf‘ in Tirol: Die Knappenwelt Gurgltal in Tarrenz bei Imst. Ein Erlebnisdorf wie gemacht fürTages-Ausflüge. Für Familien mit kleinen Kindern ist es hier ein wahres Paradies. Und ab dem heurigen Sommer werden auch zweitägige Seminare mit Übernachtung im Knappenhaus angeboten, die es so in Österreich kein zweites Mal gibt.

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‚Kommen Sie zu uns, wir haben nichts.‘

Geldmangel war es, der die touristische Verbauung Osttirols immer behindert hatte. Und weil sie ’nichts haben‘ ist Osttirol für mich ein Land mit viel Zukunft im Qualitätstourismus. Als Beleg dafür stelle ich hier einige jener Landschaften und Sehenswürdigkeiten vor, die Osttirol einzigartig machen.

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Vollerwerbs-Bergbauer und Käsekünstler: Die zweite Karriere des Martin Grüner

Diese Geschichte hat in Tirol absoluten Seltenheitswert. Ein junger Mann und HTL-Absolvent in einem ziemlich mondänen Wintersportort beschließt, den monetären Verlockungen des Tourismus zu entsagen. Er wird Vollerwerbs-Bergbauer und verzichtet auf ein gutes Einkommen als Skilehrer und Skiführer. Sein Beweggrund: er will die Arbeit von Generationen seiner Vorfahren fortsetzen. Die hatten das Talende des Ötztales  jahrhundertelang urbar gemacht und dabei jene Landschaft geschaffen, ohne die der moderne Tourismus schlicht unmöglich wäre. 

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Teil II: Über das Tellajoch in den Rücken der Feinde

Seit mehreren Monaten zeichnet sich eine finale kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Truppen Kaiser Maximilians und den Drei Bünden ab, die mit den Eidgenossen eine Allianz eingegangen sind. Nach mehreren gleichermaßen blutigen wie fatalen Niederlagen versucht Habsburg, die Entscheidung zu erzwingen. Die Vorgeschichte dazu findet ihr unter diesem LINK.

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Teil I: Die blutigen Vorboten der Calvenschlacht

Die Calvenschlacht war die brutalste kriegerische Auseinandersetzung die jemals auf Tiroler Boden stattgefunden hat. Wie konnte es zu dieser gigantischen Vernichtung von Menschenleben kommen? Im ersten Teil meiner kleinen Serie will ich den Auftakt zur Katastrophe darstellen die Tod und Verderben über den Vinschgau bingen sollte.

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Die Leidenschaft des Florian Senftlechner

Ein junger Quereinsteiger in die Landwirtschaft ist ‚Ziegenkäser aus Leidenschaft‘. Er verwandelt BIO-Ziegenheumilch in köstliche Spezialitäten. Die Gourmetkarte des Außerfern ist um eine echte Attraktion reicher.

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