Mystische Bergspitzen

Wir alle kennen makellos ‚dreieckige‘ Bergspitzen. Ich behaupte: die Schönsten unter ihnen waren für prähistorische Religionen und Kulte von ganz besonderer Bedeutung.

Reisen und Wanderungen in die hintersten Winkel des wunderbaren Tirolerlandes haben meinen Blick für geomorphologischen Besonderheiten geschärft. Was mir besonders aufgefallen ist: Viele ‚heilige Plätze‘, auf denen Wallfahrtskirchen stehen, scheinen in einem Dialog mit diesen Bergen zu stehen.

Obsaurs – Sitz der Göttinnen?

Für mich hatte hatte alles vor Jahren mit einem Besuch in Obsaurs begonnen. Ich konnte es erst nicht so recht glauben, aber die dortige Vigiliuskirche beherbergt ein ganz besonderes Kleinod. Es ist ein Bild der „3 Saligen Fräulein“. Also jener legendären Frauengestalten, die in der Tiroler Sagen- und Legendenwelt einen Stammplatz haben. („Als Gott noch eine Frau war“) Sie waren jene guten Geister, die durch das Fehlverhalten der Menschen vertrieben worden sind. Ihnen zu Ehren wurde im Mittelalter in Obsaurs sogar noch Gottesdienste und Predigten abgehalten. Man sollte es kaum glauben.

Die Vigil-Kirche, der ‚Römerturm‘ und der Tschirgant

Für mich ist es klar: hier musste sich ein rätischer Kultplatz befunden haben. Rätisch deshalb, da diese Glaubensgemeinschaft drei Göttinnen verehrte, die sogar noch namentlich bekannt sind und meist als Anbet, Wilbet und Gwerbet benannt werden. Und da kommt auch ein Berg in’s Spiel, der meines Erachtens von fundamentaler Bedeutung für diesen Kultplatz war: der Tschirgant.

Selbst moderne Menschen empfinden den Anblick des Berges von Obsaurs aus als einzigartig. Wie könnte man eine Dreieinigkeit von Göttinnen besser darstellen als durch eine derart imposante Bergerscheinung. Für mich ist es seither logisch, dass rätische Kultplätze auch immer einen Bezug zu den sie umgebenden Bergen hatten. Denn sie symbolisierten ihren Kernglauben: die Trinität, die Dreieinigkeit.

Ein weiteres Indiz für die mystische Vergangenheit dieses Platzes ist der Brunnen, der sich unter einer uralten Esche am Eingang zum Kirchengelände befindet. Ein Hinweis auf ein mögliches Quellheiligtum? 

St. Georg ob Tösens – ein gotisches Kleinod allein auf weiter Flur

Dieser Zusammenhang zwischen pyramidenhaft aufstrebenden Bergspitzen und Heiligen Plätzen hat mich seither nicht mehr losgelassen. Und tatsächlich: ich habe weitere Plätze gefunden, von denen aus eine gleichseitig dreieckige Bergspitze bewundert werden kann. Wie zum Beispiel am Platz der St. Georgskirche oberhalb von Tösens im Tiroler Oberland. (Die Beschreibung findet ihr HIER)

St. Georg ob Tösens: Eine Kirche weitab vom „Schuss“

St. Georg mit seinem einzigartigen Innenraum und den gotischen Fresken.

Dieses Juwel gotischer Bau- und Freskokunst steht an einem Platz, der rätselhaft ist. Weit unterhalb von Fließ und rund 1/2 Stunde oberhalb von Tösens gelegen führt heute keine Straße, ja kaum ein Weg an ihr vorbei. Und dennoch steht St. Georg auf einem ausgesprochen mystischen Platz, der von einem wunderbaren Bergpanorama umgeben ist. Und bei genauer Betrachtung stechen den geomorphologisch geübten Wandersleuten zwei Bergspitzen ins Auge, die gleichseitige Dreiecke verkörpern.

Gleich zwei Bergspitzen flankieren das Georgskirchlein: der Schmalzkopf (links) und der Lahnkopf.

Die Serles und der Goldbichl

Ein herausragendes Beispiel, ja nahezu ein Beweis für meine These der Situierung von Kultplätzen im Angesicht dreieckiger Bergspitzen ist der Goldbichl in Igls. Dieser heute unscheinbare Hügel war tausende Jahre lang religiös-kulturelles Zentrum und dürfte der größte bisher bekannte Brandopferplatz der Alpen gewesen sein. Ich habe für den Innsbruck-Blog einen Beitrag darüber geschrieben. Für mich ist das eher wenig sensationell, wenn man sich die Berge der Umgebung anschaut. Da strebt die Serles als mystisch-geheimnisvolle dreieckige Bergspitze monumental zum Himmel. Und sie setzt sich auch noch aus drei unabhängigen Felsdreiecken zusammen. 

Die Serles ist eine einzigartige Felspyramide

Der Kultplatz ist heute noch als rund 8 m hoher ‚Schutthaufen‘ am Goldbichl sichtbar.

Der Acherkogel im Ötztal

Im Tiroler Oberland gibt es für mich eine weitere Bergspitze, die den Menschen der Vorzeit ‚göttlich‘ erschienen sein muss: der Acherkogel ob Ötz. Vom Roppener Burschl aus erscheint dieses Gebirgsmassiv als Trinität. Wenngleich die heutige ‚Bruder Klaus‘-Kapelle keinen Rückschluss auf frühere Kulte zulässt wurden am Burschl bei Ausgrabungen doch bronze- und eisenzeitliche Keramiken gefunden. Jakobspilger_innen kennen den Platz, denn der Tiroler Jakobsweg führt an ihm vorbei. HIER geht’s zum Blogbeirag.

Der Acherkogel vom Roppener ‚Burschl‘ aus gesehen.

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