Die Höllentore von Bad Häring

Dass eine Gemeinde im Tiroler Unterland seit Jahrhunderten quasi über eine ‚Fußbodenheizung’ verfügt war mir bis vor kurzem neu. Denn ein Höllenfeuer soll unter dem Ort schwelen! Da ist ein Lokalaugenschein fällig.

Der ‚Teifl‘ war im Tirol des Mittelalters allgegenwärtig. Er wurde in Kirchen und Kapellen bis zum Überdruss an die Wand gemalt. Zudem wetterten die Pfaffen von den Kanzeln und drohten allen mit ewiger Verdammnis im Feuersturm der Hölle. Und diese Hölle schien auch tatsächlich zu existieren. Und zwar just in Bad Häring.

Bad Häring

Häring zu Anfang des 19. Jahrhunderts: Ein Bergwerksort wo der Rauch aufgeht. Bild: Themenwanderweg „Bergbau, Kohle“, Bad Häring.

Bad Häring heute: ein Kur- und Erholungsort. Aber das war ja nicht immer so.

Bad Häring Braunkohle

Kohle war lange der Reichtum von Häring. Bisweilen finden aufmerksame Wandersleute noch ein Stückchen des ‚Schwarzen Goldes‘.

Bad Häring? Ein Ort, der für uns neuzeitliche Tiroler_innen ein Synonym für Rehabilitation, Gesundheit und Kuraufenthalt ist. Und nicht für Hölle. Wer aber einige Jahrhunderte in der Geschichte dieser Gegend zurückgeht sieht klarer. Häring weist nämlich eine quasi ruhmreiche industrielle Vergangenheit auf. Der Ort stand einst für ‚Braunkohle’ und Portlandzement. Zwei gewichtige Komponenten in der Industrialisierung Österreichs, die Mitte des 16. Jahrhunderts begann. Und die Braunkohle ist es, die für Furore sorgte. Und die die ‚ortseigene‘ Hölle unter Bad Häring noch heute befeuert.

Ein Preisausschreiben öffnet dem Teufel die Tür

Alles begann mit einem Preisausschreiben der Kaiserin Maria Theresia im Jahre 1766. Die Regentin wollte damit die Suche nach Kohlevorkommen anstoßen. Dem Bergknappen Jakob Weindl aus Brixlegg waren 1766 vermutlich die stinkenden Grubengase in die Nase gestochen, die aus zahlreichen Löchern und Ritzen im Wald oberhalb von Häring dampften. Er meldete dies, worauf der Abbau von Braunkohle begann. Meist durch Bauern im Nebenerwerb. Und da für die Haller Saline bereits halb Tirol abgeholzt worden war wurde die Braunkohle im dortigen Sudhaus dringend benötigt. Häring wurde also 1777 zum Kohlerevier mit einem ersten Stollen: dem Theresienstollen.

Bad Häring, Kohleflöz

Im Franziskistollen brach ein Brand aus, der heute noch im Untergrund von Bad Häring schwelt.

Knapp 20 Jahre später öffnete sich dann ohne Vorwarnung der Schlund der Hölle: Ein Großbrand suchte den Theresienstollen heim. Was als das Werk des Teufels aussieht und auch so riecht ist eine chemische Reaktion der Braunkohle mit Sauerstoff. Vor allem das ‚Kohleklein‘, Braunkohleschutt bzw. -staub entzündet sich bei ca. 150 ° C selbst, fängt Feuer und brennt dann lichterloh. Auch unterirdisch, wenn ein wenig Sauerstoff dazukommt. Zeitzeugen berichteten, dass an vielen Stellen starker Rauchaustritt erfolgte. Die ‚Höllenlöcher‘ wurden mit größtem Aufwand mit Lehm versiegelt (‚plombiert‘), der Stollen nach jahrelanger Vorarbeit verdämmt. Auf dass der Sauerstoff kein weiteres Entfachen ermöglicht.

Grubenplan Bad Häring

Ein Grubenplan zeigt, wie eng das Netz der Stollen unter Bad Häring gewesen ist. Bild: Themenwanderweg „Bergbau, Kohle“, Bad Häring

Ein Brand der noch immer glost

1836 ereignete sich eine weitere Brandkatastrophe im Franziski-Feld, die heute noch andauert und unter Bad Häring weiterschwelt. Ein Feuer, das bisweilen die Oberfläche so erwärmte, dass der Schnee schmolz und Frühgemüse für den Innsbrucker Hof gezogen werden konnte. Eine dieser Stellen können Wanderer am Themenweg ‚Bergbau und Kohle’ besichtigen. Die Route führt zu verschiedenen Stolleneingängen und eben auch zu einer dieser ‚Versiegelungen‘, die den immer noch schwelenden Brand eines Kohleflözes von der Sauerstoffzufuhr abschneiden soll.

Egger-Lüthi-Stollen, Bad Häring

Der Egger-Lüthi-Stollen wird langsam von der Natur zurück erobert.

„Der Pölven steht auf drei goldenen Füßen…“

Ein Berg bestimmt über Wohl und Wehe von Bad Häring: der Pölven. Er enthält Kohle, Mergel und Ölschiefer. Das mit der Kohle ist vorbei. Aber Mergel und Kalkstein werden heute noch abgebaut, woraus dann hochwertiger Zement erzeugt wird. Und wenn es rentabel wäre, Benzin aus dem  Ölschiefer zu gewinnen, Häring wäre zudem eine ‚Ölquelle‘. So aber bleibt gottseidank nur der Zement übrig.

Bad Häring Zement

Am Pölven wird Wettersteinkalk abgebaut. Dieser Kalk enthält 97 – 98 % Calzium und eignet sich hervorragend als Zuschlagstoff für die Zementherstellung.

Förderband Kalktransport

Über eine 3,5 km lange Förderbandanlage werden Kalkstein und Mergel von den Steinbrüchen am Polven nach Kirchbichl zur Bahnverladung transportiert. Per Bahn folgt dann der Abtransport nach Rohrdorf zum ‚Südbayerischen Portland-zementwerk‘.

Denn die ständigen Brände im Kohlerevier führten eigentlich zur Entdeckung dieser weiteren Ressource Härings: zum Zement. Um nämlich die brennenden Flöze zu verdämmen, brannte man  aus dem Häringer Mergel einen hydraulischen, also wasserfesten Kalk. Und das war der Grundstein für die Herstellung von Portlandzement. Mit ihm wurde übrigens ein englisches Monopol aufgebrochen, das sich in einer wesentlich billigeren Herstellungsweise und damit einer Marktüberlegenheit äußerte. Dieser Zement wurde in der Folgezeit zu einem wichtigen Faktor bei der Industrialisierung Österreichs.

Das Hotel Panorama Royal in Bad Häring.

Auch das noch: eine Schwefelquelle

Die Weltwirtschaftskrise Ende der 20er Jahren brachte den Kohlebergbau erstmals nahezu zum Erliegen. Dessen Schicksal wurde jedoch erst 1954 besiegelt. Just als man weitere Flöße mit Bohrungen erforschen wollte geschah dann ein kleines Wunder: anstelle von Kohle bohrte man eine Schwefelquelle an, die Häring 1996 in den Rang eines Bades katapultierte. Wenn es also noch eines weiteren Beweises für die Existenz der Hölle unter Bad Häring bedurft hätte, das stinkende Schwefelwasser spricht für sich.

Interessant und lehrreich: der Themenweg „Bergbau und Kohle“

Und so wird der Themenweg „Bergbau und Kohle“ für all jene interessant, die sich für die Geschichte des Bergbaus, die brennenden Kohleflöze und die Produktion von Zement interessieren. Ich habe jedenfalls die knapp 5 km lange Wegstrecke sehr genossen. Interessant gestaltete Info-Tafeln erzählen von der Geschichte des Bergbaus und des Ortes, der Weg führt am südlichen Ortsrand entlang durch wunderschöne Wälder. Und zum Abschluss sollte man nicht versäumen, das kleine Bergwerksmuseum im Ortszentrum von Bad Häring zu besuchen. Und wenn dort die Beleuchtung besser wäre, könnte man die Beschriftungen ohne Zuhilfenahme der Taschenlampenfunktion des Handys lesen.

Betonplombe in Bad Häring

Das Tor zur Hölle ist mit einer ‚Betonplombe‘ versiegelt. Wie’s im Untergrund arbeitet ersieht man aus dem Riss in der Plombe.

Der Auspuff der Hölle. Interessant für Besucher_innen des Themenweges ist dieses kleine Rohr. Offenbar soll es Überdruck aus der Tiefe abfangen. Wenn man mit der Hand hineinlangt fühlt man ein wenig von der Wärme, die im Untergrund vorhanden ist.

Das zubetonierte Höllentor

Und dann ist da noch eine ‚Betonplombe’ am Weg, die den Eingang zur Hölle verschließt. Aus dieser Plombe ragt ein kleines aber interessantes Rohr. Wenn man mit der Hand hineinfährt kann man die Wärme spüren, die hier aus dem Untergrund aufsteigt. Und ich hatte gleichzeitig auch einen sonderbaren Geruch in der Nase. So richtig höllisch…

War es der Teufel persönlich? Könnte durchaus sein.

Mein Tipp:

  • Reisen Sie doch mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. VVT-Busse verkehren  vom Bahnhof Wörgl aus.
  • Besuchen Sie das Bergbaumuseum im Ortszentrum von Bad Häring.

    Bergbaumuseum Bad Häring

    Grubenlampen im Bergbaumuseum von Bad Häring.