Das Venntal: Die unbekannte Schönheit

Wetten? 99 Prozent der Tiroler_innen habe keine Ahnung, dass direkt von der Brennerpass-Höhe noch in ein allerletztes Tal nach Osten abgeht. Und nur handverlesene Kenner des Tales wissen, dass es quasi ein Rückzugsort bedrohter Tierrassen ist.

Ich für meinen Teil gebe es zu: das Venntal war mir bis zum vergangenen Jahr völlig unbekannt. Dass sich in unmittelbarer Nähe des Brennerpasses noch ein Tal ‚versteckt‘, hatte ich nie und nimmer für möglich gehalten. Grund genug, meine tristen Kenntnisse der Tiroler Geografie mit einer Wanderung ins Venntal endlich auf Vordermann zu bringen.

Venntal

Der Blick in Richtung Brenner: das Tal ist anfänglich ziemlich steil.

Auf das Tal aufmerksam geworden bin ich durch eine Facebook-Seite, auf der des öfteren von Ziegen die Rede war. Benny Kerschbaumer macht darin die allerbeste Werbung für seine Tiere und das Tal. Und es verläuft sogar parallel zum Valsertal, dem Tal meiner Wahl, wie die geneigten Leser_innen meines Blogs ja wissen. Also nix wie hin.

Vom Bahnhof Brenner aus sind’s etwa 40 Minuten bis zu den Vennhöfen mit der Jausenstation Venn. Der Weg ist einfach zu finden: Es geht von der Bundesstraße in Fahrtrichtung Brenner unmittelbar vor der Passhöhe und kurz vor der Brücke über die Autobahn bei der Bushaltestelle links ab. „VENN“ ist da in Großbuchstaben angeschrieben, ein kleiner Parkplatz ist vorhanden. Jetzt sind’s noch etwa 25 Minuten auf dem Fahrweg bis zur Jausenstation Venn.

Was mir im Wipptal immer wieder auffällt: Entlang der Autobahn herrscht ein stetig störender Lärm. Der sich – wie man selbst leicht feststellen kann – schon in einigen hundert Meter Entfernung auf ein Summen reduziert. Und hat man die ersten Kehren der Straße ins Venntal hinter sich gebracht, übernimmt das monoton-wunderbare Rauschen des Vennbaches die ‚Untermalung‘. Von Fahrzeuglärm ist absolut nichts mehr zu hören.

Vennhöfe

Die Vennhöfe. Ludwig Ganghofer hätte hier Urlaub gemacht, das ist sicher.

Vennhöfe, Wipptal

Haben nun die Vennhöfe vom Tal den Namen oder trägt das Tal den Namen der Höfe? Wichtig ist, dass die Kerschbaumers die Bergmähder pflegen dass es eine Freude ist. 

Heuernte Venntal

Heuernte im Venntal: trotz der Maschinen immer noch eine schweißtreibende, wenngleich schöne und sehr wichtige Arbeit.

Schon bald öffnet sich das Tal und die Berge des Kraxentragers tauchen majestätisch über den Baumwipfeln auf. 

Tiroler Bergspitz

Der Hund, der mich heftig mit dem Schwanz wedelnd begrüßt, gehört einer gefährdeten Tierrasse an. Es ist Freddy, der Tiroler Bergspitz. Die Rasse war bereits so gut wie ausgestorben. Angeblich standen die Tiroler Bauernhunde sogar Pate bei der Züchtung der schottischen Border Collies. Sie hätten aber zuviel gebellt und seien daher in ‚Verschiss‘ geraten, erzählt Benny Kerschbauer. Freddy hingegen ist ein sehr ruhiger und vor allem sehr lieber Vertreter dieser raren Hunderasse.

Irgendwie komm ich mir bei den zwei Vennhöfen vor wie in einem Ganghofer-Roman. Hat das Tal nun den Namen von den Höfen oder die Höfe vom Tal? Egal, das Minital am Vennbach ist es unbedingt Wert, besucht zu werden. Apropos Vennbach: Auf den Vennhöfen wurden früher Steine gesägt, und zwar die als Valser Marmor bekannten weißen und bläulichen Steine. Deshalb fließt der Bach auch direkt an und teils unter den Höfen vorbei.

Blobe-Ziegen und ein Tiroler Bergspitz

Blobe Ziegen, Venntal

Ein Selfie mit einer seiner Blobe-Ziegen: Benny Kerschbaumer. Bild: Kerschbaumer

Es ist immer wieder interessant, digitale Freunde aus Facebook in natura zu treffen. Wie Benny Kerschbaumer. Der Vorteil: Man weiß bereits um die verschiedene Hobbies. Und Bennys Hobby ist die Haltung und Zucht einer bedrohten Tierart, nämlich die Blobe-Ziegen.

Diese Gaißen zeichnen sich durch ihr grau-schwarzes Fell und ihren Hang zum Verwildern aus. Kein Wunder eigentlich, ist diese Ziegenrasse doch eine der ältesten Gebirgsrassen in Tirol. Dass sie ihren Sommerurlaub in luftiger Höhe verbringen ist quasi logisch. „Dort oben sind sie, ziemlich hoch oben“, sagt Benny und deutet in Richtung Vennspitze. Ob die etwa 60 Ziegen so hoch oben über den Sommer hinweg nicht verwildern, will ich wissen. „Nein“, sagt Benny. „Ich steige einmal in der Woche hinauf und besuche meine Goaßn.“ 

Die Blobe-Ziegen sind die vielleicht älteste Tiroler Ziegenrasse. Und sind um’s Haar ausgestorben. Gut, dass sich Bauern wie Benny Kerschbaumer jetzt um ihre Erhaltung kümmern. Bild: Benny Kerschbaumer

Das tut er zusammen mit seinem Hund Freddy, einem Tiroler Bergspitz. Auch noch nie von dieser Hunderasse gehört? Sie ist vielleicht noch bedrohter wie die geländegängigen Blobe-Ziegen. „Die Bergspitze waren knapp vor dem Aussterben“, erzählt mir Benny. Und das, obwohl sie quasi an der Wiege der berühmten schottischen Border-Collies gestanden sind. Angeblich ist diese uralte Tiroler Hunderasse zur Zucht der Collies verwendet worden. Und man glaubt es gerne, wenn man Freddy näher betrachtet.

Was mich bei meinem Besuch wirklich beeindruckt hat: wie und mit welchem Einsatz die Kerschbaumers ‚ihr‘ Tal und ihre Bergwiesen pflegen. Das ist beileibe nicht mehr selbstverständlich. 

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