Kürzlich habe ich erstmals den archaeo-Park im Schnalstal besucht. Und mit großer Freude festgestellt, dass der Park ein überaus seriöses, hochinteressantes und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierendes Freiluftmuseum ist. Ganz im Gegensatz zum prähistorischen Hollywood-‚Ötzidorf‘ in Umhausen. Weshalb gerade ich diesen Unterschied betone? Hier die Erklärung.
Die Idee eines prähistorischen Dorfes begleitete mich seit meiner Kindheit. Denn in meinem Geburtsort Koblach im Vorarlberger Rheintal wurde in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine prähistorische Siedlung ausgegraben. Und an der Ausgrabung durfte ich als kleiner Bub teilnehmen. Damals fragte ich mich immer wieder, wie die Leute damals wohl gelebt hatten, wie die Häuser ausgeschaut hatten. Und: wo die Toten eigentlich begraben worden sind.
Deshalb ist es kein Wunder, dass die Idee zum Ötzi-Dorf in Umhausen von mir stammt. Die Gelegenheit war damals günstig. Vier Jahre nach dem Fund des Mannes im Eis holte mich der bekannte Volkskundler Prof. Dr. Hans Haid ins Ötztal, um den von ihm gegründeten LEADER-Verein als Geschäftsführer zu leiten. Die Zielsetzung von LEADER war und ist es, innovative Ideen und Projekte für eine Region zu entwickeln. Und da es an Ideen im ganzen Tal mangelte, musste ich wohl oder übel eigene entwickeln. (Auch deshalb, weil den damaligen Bürgermeistern im Ötztal partout nichts anderes einfallen wollte, als weitere Skilifte zu bauen.)
Nach dem Besuch eines Nachbaus eines kleinen prähistorischen Steinzeitdorfes im Val Camonica im Jahr 1996 war für mich klar: Ich wollte ein ähnliches Dorf im Ötztal initiieren. Bereits 1997 hatte ich gemeinsam mit einem befreundeten Archäologen konkrete Pläne für ein ‚Ötzidorf‘ entwickelt.
Damals dachte noch niemand im Entferntesten daran, dem Mann im Eis im Ötztal eine Art Denkmal zu setzen. Denn mit einer Leiche oder Mumie wollte man sich im Tal und vor allem in der Happy-Alc-Hauptstadt Sölden erst gar nicht auseinandersetzen. Ganz im Gegensatz zum Schnalstal. Aber dazu später.
Gemeinsam mit einem sehr renommierten deutschen Archäologen entwickelte ich ein Konzept für ein prähistorisches Dorf aus der Ötzi-Zeit, das auf Ausgrabungsergebnissen und damit auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierte. Wir planten vom Bau der Häuser an bis zur Ausgestaltung des ‚prähistorischen Dorfes‘ das Wissen von experimentellen Archäologen mit einzubeziehen und zu nützen. Das hätte bedeutet, dass die Bauzeit an einem seriösen Ötzidorf etwa 3 Jahre gedauert hätte.
Ich gründete zusammen mit einigen Freunden dann sogar einen Verein, schrieb dessen Statuten, brachte die Projektbeschreibung als Förderantrag ein und erhielt eine Förderzusage, die sich gewaschen hatte. Von den geplanten 22 Mio. Schilling Gesamt-Errichtungskosten wurden ca. 19 Mio. Schilling gefördert.
Während ich bei den Politikern des Tales zwei Jahre lang mit meiner Idee und sogar ‚Geld in der Hand‘ im wahrsten Sinn auf Granit gebissen hatte („der Greitler spinnt“), nahm Jakob Wolf, heute Klubchef der ÖVP im Landtag, meine Idee als frisch gewählter Bürgermeister von Umhausen im Jahr 1999 volley auf. Soweit so gut. Er sah jedoch, was ich damals noch nicht sehen wollte: für den angehenden Berufspolitiker war mein Projekt ‚Ötzidorf‘ nämlich die Möglichkeit schlechthin, sich ein erstes „Denkmal“ als Bürgermeister zu setzen. Das ihn für höhere Aufgaben quasi prädestinieren konnte. Meine Idee war dafür geradezu maßgeschneidert.
In einer Husch-Pfusch-Aktion stellte er quasi über Nacht mit Feuerwehr, Schützen und dem Kirchenchor ein Projekt in den Wald, das mit meinen ursprünglichen wissenschaftlich fundierten Plänen ungefähr soviel zu tun hatte wie eine Kuh mit dem Eistanz. Er hielt sich nicht lange mit langweiligen Überlegungen nach dem Urheberrecht der Idee oder der Authentizität und Wissenschaftlichkeit auf und setzte auf Hollywood, Disneyland und Mickey-Mouse statt auf wissenschaftliche Wahrheit und faire Behandlung des Erfinders. Ganz Politiker schmückte er sich aber sicherheitshalber mit einem Feigenblatt: Wolf engagierte einen Innsbrucker Archäologie-Professor, der dem prähistorischen Disneyland denn auch tatsächlich seinen Segen gab.
Dass dieser Professor sogar dem ‚Import‘ einer von Jakob Wolf in Kärnten zusammengekauften Filmkulisse zustimmte, die als Ur-Ötzi-Dorf herhalten musste, wirft verdammt wenig wissenschaftlichen Glanz auf ihn. Denn massive Blockhäuser hatte es zu Ötzis Zeiten nicht gegeben, das hätte der Herr Professor doch wissen müssen. Oder?
Beide sind sich aber nicht zu blöd, sich Jahr für Jahr bei der Eröffnung mit fremden Federn zu schmücken. Jakob Wolf hat’s sogar schon geschafft, dass er als Erfinder des Ötzidorfes gilt. Was er sicher wohlwollend zur Kenntnis nimmt. Wohlan denn.
Es ist schön, dass es ein ehrliches „Ötzidorf“ im Schnalstal gibt
Die Südtiroler haben sich von Beginn an, es dürfte auch um 1997 gewesen sein, der Mitarbeit zahlreicher Archäologen, vor allem aber experimenteller Archäologen versichert. Was sich heute als sehr positiv herausstellt. Denn der archaeo-Park im Schnalstal ist die ehrliche Antwort auf das Wolf’sche Disney-Ötziland in Umhausen.
Im Schnalser Archaeo-Park sind nämlich ausschließlich prähistorische Häuser und Bauten zu besichtigen, die aufgrund von konkreten Grabungsbefunden ’nachgebaut‘ worden sind. Das heißt: diese Häuser hatte es tatsächlich so ähnlich gegeben. Nix ist hier im Mickey-Mouse-Stil gebaut, um dem Betrachter vorzugaukeln, wie es damals unter Umständen vielleicht gewesen sein könnte…

Ein jungsteinzeitliches Haus, errichtet nach Grabungsbefunden Arbon-Bleiche. Das Original wurde zwischen 3.384 – 3.370 errichtet. Foto: archaeoPark Schnalsal, Foto: Johanna Niederkofler

Zwei jungsteinzeitliche Hausmodelle im Freilichtbereich des archeoParc Schnalstal, gebaut zwischen 2900-2600 v.Chr. in Alleshausen-Grundwiesen, Deutschland. Foto: archaeoPark Schnalstal, ganeshGraphics.

Der Besucherbereich im archaeoPark Schnalstal bietet vielerlei Möglichkeiten. Die Besucher erhalten einen nachhaltigen Eindruck, wie die Menschen der jüngeren Steinzeit und Bronzezeit lebten. Foto: Werner Kräutler
Das Konzept des archaeo-Parks ist darauf ausgelegt, einen ganzen Tag auf dem Gelände zu verbringen. Was mich aber besonders fasziniert: Im archaeo-Park werden vielerlei Aktivitäten der großen und kleinen Besucher gefördert. So sind im Einrittspreis bereits viele Aktivitäten enthalten:
- Feuermachen wie Ötzi
- Brot backen am Lagerfeuer
- Mehlmahlen auf der jungsteinzeitlichen Steinmühle
- Bogenschießen am Schießstand
Zahlreiche neue Attraktionen im archaeo-Park ab dem 15. Juli 2017
Im Juli 2017 eröffnen im archeo Parc die neuen Ötzi-Ausstellungen im Besucherzentrum und im Außengelände. Drinnen geht es um die Geschichte der Entdeckung im September 1991, um seine Lebensweise und den Fundort am Gletscher.
Draußen zeigen künftig neun 1:1 Hausmodelle in drei Hausgruppen wie Ötzis Nachbarn in den Alpentälern und südlich und nördlich davon gebaut haben könnten. Besonderes Highlight des neuen Geländes wird der Einbaum-Steg sein: Am Parcours 2 und 3 heißt es nämlich bald Bogen schießen, Brot backen, alte Handwerkstechniken ausprobieren und Einbaum-Probefahren.
Mein Tipp: Der archaeoPark Schnalstal ist besonders für Familien und Schulklassen hochinteressant. Nicht nur, dass der Park von Wissenschaftern geleitet wird. Auch die verwendeten Werkzeuge sind Originalen nachgebaut.
Um sich wirklich ein Bild der Lebensweise der Menschen zur Zeit des Eismannes machen zu können empfiehlt es sich, einen ganzen Tag im Park zu verbringen.
Pingback: Der archaische Zug der Schafe: die Transhumanz – Tirol isch toll