Ich bin mir sicher, dass es kaum einen Flecken in den Alpen gibt, der mit diesem Ort vergleichbar wäre. Da türmt sich ein mächtiges, scheinbar überhängendes Felsmassiv 2.200 m nahezu senkrecht über dem Ort auf. Gekrönt von einem idealtypischen – weil dreieckig geformten – Berg, der auch noch der nördlichste 3.000er der Alpen ist: Der Acherkogel. Eine Szenerie, die den Betrachter_innen wohlige Schauer über den Rücken rinnen lässt, wenn sie ihn von Ötz aus mit ‚verdrehten‘ Hälsen bewundern.
Schon die Fahrt vom Inntal in Richtung Ötz ist einzigartig. Urplötzlich erscheint der Acherkogel, ganz im Stil eines Wächters. Des Wächters zum Ötztal. Schroff und steil türmen sich die Berge um Ötz herum auf, Bergbauernhöfe und Kirchtürme kleben wie Schwalbennester an den jäh abfallenden Hängen.
Man möchte es nicht für möglich halten. So bizarr und majestätisch sich die Berge über Ötz erheben, so lieblich, ja geradezu romantisch-museal ist das Zentrum des Dorfes. Alte Bauernhöfe, Dorfbrunnen und legendäre Hotels wie das Hotel zu den „3 Mohren“ oder das „Kassl“ werden von einem der schönsten und ältesten Wirtshäusern Tirols ergänzt: dem „Stern“.
Ötz war reich. Waren es im Mittelalter die Säumer – quasi Speditionsunternehmen auf Maultierbasis – die von Ötz aus den Alpenübergang wagten (oder die von Süden her kommend hier rasteten), so waren es später die Touristen, die Geld ins Dorf brachten. Auch die Landwirtschaft florierte dereinst ob des relativ milden Klimas und eines ausgeklügelten Bewässerungssystems, deren Kanäle Waale genannt werden.
Kein Wunder also, dass im Ötzer Dorfkern noch jene noble Gediegenheit vorherrscht, die die Anfangstage des Tourismus auszeichnete. Damals, als das Wort „Sommerfrische“ noch Entspannung und Erholung bedeutete und das Eislaufen am Piburger See im Winter ein Non-Plus-Ultra war. Genau diesem Gefühl wollte ich mich für einen Tag lang hingeben und die Gelassenheit, Ruhe und gediegene Gastfreundschaft in Ötz genießen.
Ich hoffe ja immer noch inständig, dass diese Werte wieder in Mode kommen. Ganz einfach, weil ich nichts anfangen kann mit schreiender Musik und wummernden Bässen, die nicht selten durch alpine Retortendörfer dröhnen. Oder mit Schnapshütten an jedem Eck und Komasaufen als Urlaubs-Event. Und was ich genausowenig brauche: Den ‚Anton aus Tirol‘ in Endlosschleife, Ski- und Snowboardfahrer_innen, die sich teils sturzbetrunken wie Alkohollawinen in die Tiefe stürzen und nicht selten unbeteiligte, unschuldige Schifahrer mit sich reißen. Ich bin überzeugt: in Ötz könnte die Renaissance der gepflegten Sommerfrische und des sportlich-genießerischen Winterurlaubes gelingen.
Ötz: wahrhaftig eine Ouvertüre des Ötztales
Hier liegt nicht nur geografisch das Tor zum Ötztal. Diese wundersame Gemeinde ist eigentlich die geniale ,Ouvertüre‘ zum ,Naturwunder Ötztal‚. Denn Ötz besitzt auf kleinstem Raum alles, was das Ötztal auszeichnet: Himmelstrebende Felsformationen, hochalpine Klettersteige, glatte Feldwände, saftig grüne Almen, türkis-schimmernde Seen und im Winter Eis am Piburger See und Schnee auf über 2.000 m Seehöhe. Kein Wunder, dass der Tourismusverband Ötz auf den – im positiven Sinn – mehrdeutigen Slogan verfiel: „Ganz vorn im Ötztal„.
Ötz ist ein bereits historisches Wandergebiet
Wer Ötz sagt sollte auch Piburg sagen. Die kleine Höhensiedlung, etwa 200 m westlich oberhalb von Ötz gelegen ist vor allem durch seinen See berühmt. Und diesen See erreicht der erholungssuchende Sommerfrischler / die neugierige Sommerfrischlerin auf mancherlei aber immer einzigartigen Wegen.
Der schönste dieser Wege führt über die Wellerbrücke, die die tosende, wildromantische Ötztaler Ache überquert. Ein Felssturz vor etwa 12.000 Jahren veränderte die Landkarte dieser Gegend: Er staute den Piburger See auf und verlegte die Ötztaler Ache, die sich daher heute noch über einen wilden Katarakt in die Tiefe stürzt. Der gepflegte Wanderweg führt quer durch die sogenannten Achstürze zum Piburger See und weiter in den Weiler Piburg.
Bei der Rückkehr nach Ötz gibt es für den tapferen Wandersmann / die beherzte Wandersfrau mehrere Möglichkeiten, sich für die körperlichen Anstrengungen zu belohnen: Mohren, Kassels, Sternen oder eines der guten Cafés. Ich habe mich für die „3 Mohren“ entschieden. Nicht zuletzt, weil man dort noch der alten Tradition des ‚Kellner-Klingelns‘ frönen kann.
Nützliche Links:
Acherkogel
Weitere Informationen zu Ötz
Achstürze und Wanderwege
Wellerbrücke
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