Pestizide sind das Riesenproblem Südtirols

Giftspritzen in Südtirol

Das kann Urlauber_innen in Südtirol locker passieren: sie durchqueren eine Pestizidwolke. Solche Bilder können auf längere Sicht gefährlich für den Tourismus werden. Bild: Umweltschutzgruppe Vinschgau

Ich behaupte: wenn es der Südtiroler Landesregierung in Zusammenarbeit mit den Apfelbaronen nicht gelingt, die chemische Landwirtschaft in Griff zu bekommen, werden neben den Touristen auch die Bienen ausbleiben. Und dann kann in Südtirol das praktiziert werden, was in China schon gang und gäbe ist: das Bestäuben der Obstblüten von Hand. 

Ich habe bereits über das ,Wunder von Mals‘ berichtet. Jener glanzvollen Willensäußerung der Malser Bevölkerung, die weit nach Europa hinein, ja sogar über Europa hinaus strahlt. Bekanntlich hatten sich die Malser Wähler_innen  im vergangenen Herbst mit einer riesigen Mehrheit gegen den Einsatz von Pestiziden auf ihrem Gemeindegebiet ausgesprochen.

Volksvertreter mißachten Volkswillen

Nach italienischem Recht muss das Ergebnis dieser Volksabstimmung nun in der Gemeinde in eine Art ,Verfassungsrang‘ erhoben werden. Das hätte bereits in einer Gemeindevertretersitzung am 7. Jänner erfolgen sollen. Aber das Imperium, bestehend aus dem Südtiroler Bauernbund, den Chemie- und Pharma-Gierkonzernen und den Politiker_innen der Südtiroler Volkspartei – will sich das ganz offenbar nicht bieten lassen. Bei jener Sitzung, in der formell die Aufnahme des Textes der Volksabstimmung in die Gemeindesatzung beschlossen werden sollte, stimmten jedenfalls die erschienenen Gemeindevertreter_innen entweder dagegen, enthielten sich der Stimme oder ließen sich bei der Sitzung erst gar nicht blicken. Die Mißachtung des Volkswillens gehört offenbar schon zur ganz normalen demokratischen Praxis in der ‚ältesten Festlanddemokratie‘ der Welt.

Mals löst heftige Diskussionen aus

Nun hat Mals, das renitente Dörfchen, in Südtirol trotz aller politischer Taschenspielertricks schon eine Lawine in Gang gesetzt, die weder vom Südtiroler Bauernbund noch von der SVP-Landesregierung gestoppt  werden kann. Auch den Gierkonzernen aus der Pharma- und Chemiebranche dürfte es schwer fallen, die Malser Bevölkerung auszubremsen. Es kommen täglich neue Fakten auf dem Tisch, die nicht nur eingefleischten Tiroler_innen den kalten Schauer über den Buckel jagen. Die Fakten sind dazu angetan, nicht nur den Tourismus sondern auch die Apfel-Industrie nachhaltig in Mitleidenschaft zu ziehen.

Die Malser_innen wollen keine Pestizidverseuchung auf ihrem Gemeindegrund. Das haben sie demokratisch entschieden.

Die Malser_innen wollen keine Pestizidverseuchung auf ihrem Gemeindegrund. Das haben sie demokratisch entschieden.

Faktum 1: Pestizide regnen auch weit außerhalb der Monokulturen auf Südtirol nieder

Pestizide werden in Südirol jetzt schon flächendeckend festgestellt. Sogar am Ortler-Gletscher wurden Rückstände der chemischen Gifte gefunden. Der Fall einer biologischen Kräuterzucht zeigt jedoch , wie dramatisch die flächendeckende Verbreitung der Agro-Gifte in Südtirol ist.

Die Bezirksgemeinschaft Vinschgau – vergleichbar mit den Bezirkshauptmannschaften in Österreich oder den Landkreisen in Deutschland – betreut bereits länger eine sozialpsychiatrische Einrichtung zur Arbeitsrehabilitation. In diesem Zusammenhang wurde ein auf organisch-biologischer Basis betriebener Kräutergarten geführt. Wie die Umweltschutzgruppe Vinschgau in Erfahrung brachte, musste dieser biologische Gartenbau in Latsch über Nacht geschlossen werden. Der Grund:  zu große Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf den Kräutern.

Ein neuer biologischer Kräutergarten wurde in Martell, also weit ,vom Schuss‘ angelegt. Dort hoffte man, rückstandsfrei erzeugen zu können. Wie aus einem Beschlussantrag an den Südtiroler Landtag vom 22. 1. 2014 hervorgeht, wurden auch auf diesen Kräutern Werte von 0,2mg/kg des Fungizides Dodine gefunden. Mehr noch: Der Umstand, dass auf den Kräutern auch der seit Jahren  verbotene Wirkstoff 2,6-Diclorobenzamid, ein Abbauprodukt des Herbizides Dichlobenil gefunden wurde, ist unfassbar. Die Umweltschutzgruppe Vinschgau stellt sich die Frage, wie die Situation in Südtirols Hausgärten wohl aussehen mag.

Die Pestizidverseuchung bringt den Bio-Bauern Günter Wallnöfer an den Rand seiner finanziellen Existenz.

Die Pestizidverseuchung bringt den Bio-Bauern Günter Wallnöfer an den Rand seiner finanziellen Existenz. Dieses Video ist Teil jener Dokumentation, die Alexander Schiebel mit Hilfe von Crowdfunding produziert.

Schlicht und einfach existenzvernichtend ist die landesweite Pestizidverseuchung für den Bio-Bauern Günther Wallnöfer. Der Malser Bio-Bauer und Vize-Präsident von Bioland Südtirol berichtet von schockierenden Pestizidproben! Schaut Euch bitte dieses Video an! 

Faktum 2: In Obstanlagen ist es – zumindest für Hunde – lebensgefährlich

Die Umweltschutzgruppe Vinschgau hat in den letzten Jahren eine Menge von Gras- und Wasserproben gezogen und auf Pestizide analysieren lassen. Das vernichtende Resumé: Immer sind Rückstande von Pflanzenschutzmitteln gefunden worden. Die Folge: Politiker spielten sich – man kann sagen wie üblich – zu Rächern der Millionärs-Bauern auf, verunglimpften die Umwelt-Gruppen und verbreiten ungestraft Halb- und Unwahrheiten. Vor allem aber machen Sie wissentlich die Überbringer_innen der schlechten Botschaft zu Täter_innen. Die besorgten Bürger_innen würden nur Ängste schüren, das Image der Bauern schädigen und Unsicherheiten in der Bevölkerung verbreiten. Dass zum Beispiel am Schulhof der Grundschule Tartsch Rückstände von Pflanzengift in einer hohen Konzentration gefunden wurden, scheint egal zu sein. Denn Tartsch liegt einigermaßen abseits der Intensiv-Apfel-Monokulturen. Und solange die eigenen Kinder nicht betroffen sind, naja…

© Südtirolnews it / d

Screenshot ©Südtirolnews.it/d

Einen bemerkenswerten Zwischenfall gab es bereits vor etwas mehr als einem Jahr. Den Vorfall hätten die Südtiroler Giftspritzer vermutlich gerne völlig unter der Decke gehalten. Im Dezember 2013, also vor etwas mehr als einem Jahr, verstarb ein Hund unter schrecklichen Qualen. Er wurde – das steht eindeutig fest – durch ein Pflanzenschutzmittel vergiftet. Das hat eine Autopsie der Tierärztin des Instituts für Tierseuchenbekämpfung bestätigt, wie die Tageszeiung Alto Adige berichtete. Ein zweiter Hund der Frau durch den rechtzeitigen Eingriff vonseiten des Tierarztes gerettet. Zwei weitere Hunde von weitaus robusterer Natur hatten zwar dieselben Symptome, sie befanden sich allerdings nicht in Lebensgefahr.

Faktum 3: Tote Bienen aus Südtirol sind am stärksten mit Spritzmittelrückständen belastet.

Mutig in ein ‚Bienennest‘ gegriffen hat neulich die ‚Neue Südtiroler Tageszeitung‘. Das Blatt eröffnete am 6. Februar eine neue Front im Kampf der Südtiroler-innen gegen den hemmungslosen Einsatz von Agro-Chemie. „Verseuchte Bienen“ betitelte Karin Gamper ihren Beitrag. Ein wunderbares Beispiel für investigativen Journalismus in einem politisch-monolitischen System. (Oder kann man im Fall Südtirol bereits von einem  ‚oligarchischen System‘ schreiben?) Jedenfalls griff Gamper wohltuend kräftig in die Tastatur.

Auch bei völliger Windstille werden ganze Schwaden von giftigen Pestizidsprays vertragen.

Auch bei völliger Windstille werden ganze Schwaden von giftigen Pestizidsprays vertragen. Bild: Umweltschutzgruppe Vinschgau

Ein unabhängiges Labor mit Sitz im Veneto habe tote Bienen auf Spritzmittelrückstände analysiert, so die Neue Südtiroler Tageszeitung. Und weiter: „Das ernüchternde Ergebnis: Die am stärksten verseuchten Bienen stammen aus Südtirol.“ Das Fazit, so Karin Gamper in der Neuen Südtiroler Tageszeitung weiter: „Besonders die Bienen aus Südtirol weisen erhebliche Rückstände auf. Gefunden wurden beispielsweise Rückstände von Imidacloprid, Pyraclostrobin, Chlorpyrifos, Cypodinil, Thiacloprid, Fluvalinate, Kresoxim-M, Phosmet, Metalaxil-M.“

Besonders eklatant sei das Beispiel Vöran. Die Gemeinde liegt weit weg von intensiv bewirtschafteten Obstkulturen. Dennoch wurden gerade hier elf (!) Rückstände in den untersuchten Bienen gefunden. Mit dabei: Tetramethrin, ein bienengefährdender Stoff, der in Italien für die Landwirtschaft nie zugelassen wurde.“

Um die schlechte Nachricht zu vervollkommnen: Rückstände wurden, so die Neue Südtiroler Tageszeitung weiter, nicht nur in den Bienen, sondern auch im Wachs und in den Pollen gefunden.

Für mich erhebt sich nun eine einzige Frage: Wenn die Spritzmittelrückstände in messbarer Konzentration weitab der Apfel-Monokulturen gefunden werden, muss das Gift ja durch die Luft übertragen werden. In sogenannten Aerosolen. Das bedeutet, dass – wer auch immer in Südtirol atmet – teilweise auch Pestizide einatmet. Was bedeutet es also, wenn Menschen diese Pestizid-Aerosole einatmen? Südtiroler Politiker vor den Vorhang: ich hätte jedenfalls gerne eine Garantie von euch, dass das Atmen in Südtirol nicht gesundheitsgefährdend ist!

Wie ich überhaupt meine, dass solche Fragen von der Südtiroler Politik und dem  Tourismus so rasch als möglich beantwortet werden sollten. Sonst kann die Pestizid-Spritzerei auch noch den Tourismus vergiften. Und der Apfelabsatz kann auch plötzlich einbrechen.

Hier könnt ihr Euer Unbehagen mit der Pestizidspritzerei äußern. Unterschreibt bitte die AVAAZ-Petition „Gefährliche Pestizide im Südtiroler Apfelanbau? Nein Danke!“

Nützliche Links zu den Aktivist_innen des ‚Wunder von Mals“

1. Die Aktivist_innen von ‚Hollawint‘

hans, alexander

Hans Perting, eigentlich Dr. Johannes Fragner-Unterpertinger (links im Bild), Pharmazeut, Literat und Inhaber der ‚Gerichts-Apotheke‘ in Mals; Vorsitzender des Proponentenkomitees sowie der Dokumentarfilmer Alexander Schiebel.

 2. Hans Perting, eine der treibenden Kräfte hinter der Volksabstimmung in Mals

3. Umweltschutzgruppe Vinschgau

4. Crowdfunding für die Dokumentation „Das Wunder von Mals“

5. Das Wunder von Mals auf Facebook 

4 Gedanken zu “Pestizide sind das Riesenproblem Südtirols

  1. …vergelt´Gott, TOLL, was und WIE du es machst/schreibst/tust.

    Mit fester Umarmung, dein dankbarer Johannes aus Mals

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  2. Pingback: Petitionen und Kampagnen gegen Bienensterben und Pestizideinsatz | bienen-leben-in-bamberg.de

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