Dies ist die Geschichte einer Suche die sich insgesamt über 17 Jahre hingezogen hatte. Und erst kürzlich ist es mir gelungen, sie erfolgreich abzuschließen. Ich habe jenen Meister gefunden, der heute noch in reiner Handarbeit diesen legendären Tiroler Stoff herstellt, der Wifling genannt wird. Es ist quasi der Tweed Tirols, ein Stoff als Synonym für Ewigkeit. Dass ich ihn schlußendlich doch gefunden habe verdanke ich einzig und allein meinem Stubaier Freund Detlef Thomas Klose. Der hatte erst einmal den richtigen Riecher und dann den richtigen Tipp.
Die Geschichte dieser Lokalisierung begann 1997. Ich war damals Regionalmanager der LEADER-Region Ötztal und recherchierte Möglichkeiten, sinnvolle Projekte für EU-Förderungen im Ötztal umzusetzen. Das Umhauser Ötzidorf war übrigens eines dieser von mir entwickelten Projekte. Ich suchte also nach historischen Anhaltspunkten: Von was haben die Menschen vor einigen hundert Jahren im Ötztal eigentlich gelebt? Ich durchleuchtete sozusagen die Ära vor dem touristischen Goldrausch, lange bevor die Gletscher zu Sauf- und Partymeilen verkamen. Ja, von was lebten die Leute damals?
Die Ötztaler Bäuerinnen und Bauern hatten im 19. Jahrhundert tatsächlich eine mehr oder minder sprudelnde Einnahmequelle: den Flachs. Es war offenbar einer ganz hervorragender, langfasriger Flachs, der im Tal gedieh. Denn er wurde in Italien genauso geschätzt wie in St. Petersburg, wo er gar an der dortigen Börse gehandelt worden war.
Als ich damals über diesen Flachsanbau im Ötztal rechechierte erklärte mir ein alter Umhauser im Wirtshaus, dass aus diesem Flachs und aus Schafwolle ein legendärer Stoff gemacht worden sei. Eine Hose aus diesem Stoff stünde erstens von selbst und halte zweitens so lange, bis der Hosenbesitzer mitsamt der über Jahrzehnte hinweg intakten bleibenden Hose in die Grube fahre. Soweit er wisse, werde der Stoff immer noch im Stubai hergestellt. Wie gesagt, das war 1997.
Worauf ich mit der Suche begann. Aber mehr als eineinhalb Jahrzehnte suchte ich vergebens. Ich dachte schon, der alte Bauer hätte damals einen üblen Schmäh gemacht. Bis mir vor einigen Wochen mein ‚eingeborener‘ Freund, nämlich Detlef Thomas Klose aus Telfes, sagen konnte, wo der Stoff heute noch hergestellt wird. Denn ich hatte die Hoffnung nie aufgegeben, die textile Legende doch noch zu finden und den Stubaier auf den Stoff ‚angesetzt‘. Also machten wir uns beide auf, diesen ‚letzten Mohikaner‘ der Tiroler Wilfling-Webkunst in Neustift zu besuchen.
Martin Stern heißt der Webmeister, der sein Handwerk in Räumen durchführt die ungeschaut als Museum durchgehen würden. Vor dem Eingang hängen ‚Lechtaler‘-Teppiche, wie sie vor einigen Jahrzehnten selbst in Studentenbuden geschätzt worden sind. Wunderschöne Farben, gewebt aus – natürlich – reiner Schafwolle aus dem Stubai. Die Weberei Stern in Neustift gibt es seit 1923. Martins Großvater Franz hat sie damals gegründet, er hat den Betrieb 1995 von seinem Vater übernommen. Der Handwebstuhl befindet sich in einem Holzhäuschen, das von außen auch ganz locker als Schrebergartenidylle durchgehen würde.
„Die Schafwolle stammt ausschließlich aus dem Stubai“, hält Martin bei einer Führung durch sein aktives ‚Handwerks-Museum‘ stolz fest. Er wäscht die Wolle sogar selbst. „Denn nur dann kann ich sicher sein, dass sie genauso ist wie ich sie brauche: mit sovielen Anteilen Lanolin (das ist das Wollfett) wie ich für meine Produkte brauche.“ Denn es ist dieses Wollfett, das die Qualität eines Teppichs ausmacht. Was man sich vorstellen kann: das Fett weist Schmutz und Wasser ab.
Dann aber zum Kern der Sache, dem Wifling. Deshalb bin ich ja hier. Diese Webart wurde im Stubai immer gepflegt. Zuerst vom Vater und jetzt von Martin. Den Flachs kauft Martin aus Innerösterreich zu, die braune Schafwolle stammt samt uns sonders aus dem Stubai. Ober er überhaupt Wifling auf Lager habe, will ich wissen. Zufällig schon, erzählt Martin. Einige Jäger hätten einige Meter bestellt, dann aber nicht abgeholt. So sei er auf dem Stoff sitzen geblieben. Und wenn diese Vorräte aufgebraucht sein sollten? „Dann müssen meine Kunden eben warten, denn die Wolle wächst derzeit noch auf den Schafen“.
Noch vor Ort entschließt sich mein Stubaier Freund Detlef Thomas, sicherheitshalber gleich einmal zwei Meter Stoff zu kaufen. Um sich eine ordentliche Juppe schneidern zu lassen. Eine, die ein Leben lang hält. Und ich durfte die Juppe dann zwei Wochen später probieren. Traumhaft kann ich nur sagen.
Wer Lust bekommen hat, Martin Stern in seiner Weberei einen Besuch abzustatten kann das auf zweierlei Art tun:
1. Im Internet: http://www.tiroler-webkunst.at/, info@tiroler-webkunst.at
2. Auf Youtube: am Handwebstuhl
3. Persönlich und unter körperlicher Anwesenheit in der einmaligen Werkstatt:
Weberei Stern, Martin Stern, Außerrain 114, 6167 Neustift im Stubaital. Telefon: Tel. +43/5226/2274
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