Ist es möglich, jene einzigartigen Düfte, Gerüche und Geschmacksnoten, die eine Landschaft kennzeichnen, in einer Flasche zu konservieren? Ein Gin aus Stilfs hat genau das meisterhaft geschafft.
Meine atemberaubenden Leserinnen und klugen Leser wissen es längst: mein Blog ist für mich die ideale Möglichkeit, interessante Menschen vorzustellen. Vor allem solche, die ein Gegengewicht zur industriellen Massenproduktion von Lebens- und Genussmitteln bilden. Ich interessiere mich für Menschen, die ‚herkömmliche Produkte’ nicht nur neu komponieren und interpretieren sondern auch ehrlich und natürlich herstellen.
Heute möchte ich euch ein Beispiel für Innovation und Nachhaltigkeit auf höchstem Niveau präsentieren. Immer wieder ist in der Entwicklung des ländlichen Raums davon die Rede, ‚die lokalen Ressouren’ doch intensiver zu nützen. In selten Fällen gelingt dies derart eindrucksvoll wie bei jenem Projekt am Fuße des Ortler, von dem ich euch berichten will.

Nie hätte ich gedacht, jemals einen Gin zu verkosten, der ausschließlich aus regionalen Zutaten komponiert ist. Ein Gin, der auf Zunge und Gaumen Aromen freisetzt, die die grandiose Berglandschaft um Stilfs innerhalb weniger Sekunden in Geruch und Geschmack beschreibt. Und selbst im Abgang jenen süßen Nachgeschmack hinterlässt, den heimische Beeren verströmen. Der bei geschlossenen Augen die wundervollen Blumenwiesen ebenso erahnen lässt wie er die Gerüche der Kranebittstauden und sonnenerwärmter Wälder vermittelt. Aber ich wundere mich eh nicht, denn der Stelvio-BIO-Gin ist ein weiteres Produkt eines Mannes, den ich in diesem Blog bereits vorgestellt habe.
Die Meldung, wonach „dr Nicki an oagenen Gin môcht“ war für mich ein willkommener Anlass, wieder einmal ins wundervolle Bergdorf Stilfs zu fahren. Wie immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es wurde erneut eine Erkundungstour, die das innovative Potential der jungen Leute in Stilfs eindrucksvoll belegt und die sich zu einer kulinarische Entdeckungsreise entwickelte. Wer wissen will, was denn die jungen Leute in Stilfs auszeichnet und was die jungen Leute besonders macht der liest hier nach.

Wie gesagt, ich kenne den Faslar-Hof des gelernten Hubschrauberpilot Nicki Wallnöfer schon länger. Er hat einen dieser historischen Berghöfe auf 1467m Seehöhe mit größter architektonischer Sorgfalt saniert und gleich begonnen, nebenher BIO-Kräuter zu züchten und BIO-Brot zu backen. Er lebt mit seiner Familie auf einem exklusiven Hochsitz oberhalb jenes Ortes, in dem selbst ‚Hühner Steigeisen brauchen‘. Vor den Fenstern seines Gehöftes türmt sich auf einer Seite das Ortler-Massiv auf. Auf der anderen überblickt man das Obere Vinschgau.


Auch Nickis drittee Traum ging in Erfüllung
In den zwei Pandemiejahren wurde Nicki quasi zum ‚Nebenerwerbspiloten’. Er nützte sie zur Entwicklung eines völlig neuen Produktes, das man auf einer solchen Seehöhe vermutlich selten findet. Das Ergebnis ist ein BIO-Gin der seinesgleichen sucht.

Nicki hatte die lange Ausbildung eines Hubschrauberpiloten absolviert, um sich einen Jugendtraum zu erfüllen. Gleichzeitig baute er einen der Stilzer Faslarhöfe architektonisch höchst sensibel um. Dabei entdeckte er einen alten Brotbackofen, den er zu ersten Brotback-Versuchen verwendete. Er hat im wahrsten Sinn des Wortes Feuer gefangen und begann, einen zweiten Traum zu realisieren. Im Keller seines Hofes baute er eine neue Brotbackstube mit einem Brotbackofen, der selbstverständlich mit Holz befeuert wird.
Kein Wunder, dass seine Vinschger-Paarle bereits legendär sind. Nicht genug damit: Nicki begann auch, eigenes Getreide auf dem historischen Platz in Stilfs anzubauen. Es ist jene Stelle in dieser steil abfallenden Gemeinde, die noch halbwegs eben ausschaut und auch ist. Der Anbau auf den historischen Getreideäckern des Ortes ist nur dann sinnvoll möglich, wenn das Getreide auch maschinell geerntet werden kann. Nicki hat dem Rechnung getragen und kurvt zur Erntezeit mit seinem Mini-Mähdrescher über seine Felder. Zudem unterstützt eine neue Getreidemühle aus Osttiroler Produktion Nickis Backambitionen.





Zwei Kellerräume hat er kürzlich ausgebaut. Damit realisierte er seinen dritten Traum. Seit Ende des letzten Jahres ziert nämlich eine kupferglänzende Brennanlage einen der Räume. Hier floss nach einer mehr als einjährigen Vorbereitungs- und Testphase im Dezember 2022 die erste Charge seines BIO-Stelvio-Gin aus der Destille.


Glasklar wie eine Bergquelle
In den letzten Jahren wurde der heimische Spirituosen-Markt von neuen Gin-Sorten geradezu geflutet. Viele fühlten sich berufen, ein ‚Wachholder-Trankl‘ zu brennen. Rezepte schwirren im Internet herum, da werden exotische Gewürze um die halbe Welt geflogen und eingesetzt. Es wird destilliert, dass die Schlote rauchen. Etwas fehlte mir aber immer: ein überzeugend guter Gin, den man nicht mit irgend einem Tonic-Zuckerwasser strecken muss, damit er schmeckt. Und der garantiert nicht mit irgendwelchen Aromastoffen und anderen Tricks in Form gebracht wird. Für mich besonders wichtig: ich suchte ein Getränk, dessen Zutaten quasi vor der Haustüre wachsen.

Es ist ein viel verbreiteter Irrglaube, Gin sei eigentlich nur ein ‚Wachholderschnaps‘ mit einem etwas milderen Geschmack. Guter Gin ist nämlich die ideale Mixtur von zig Geschmackskomponenten. Darunter natürlich Wachholderbeeren, allerlei duftende Kräuter, Gewürze, Beeren und Wurzeln. Der Erkennungsgeschmack bleibt natürlich Wachholder. Ohne ihn ist’s kein Gin.
Den Geist einer Landschaft in eine Flasche füllen
„Die Idee, einen Gin zu kreieren ist mir und meinem Bruder bei Spaziergängen im Nationalpark gekommen. Bei uns wachsen Beeren und Kräuter, deren Düfte jedes Getränk einzigartig machen können“ erzählt mir Nicki in der Brennstube von der ersten Idee. Ich muss anfügen, dass er auf diesem Gebiet grundlegende Kenntnisse besaß: er züchtete auf Wiesen neben seinem Faslarhof bereits Kräuter in BIO-Qualität für Urban Gluderer, bekannt für das BIO-Kräuterschlössl in Goldrain.

Nickis Gin ist ‚selbstverständlich’ BIO-zertifiziert
Er wollte von vornherein einen BIO-Gin erzeugen, der ausschließlich die Düfte von Pflanzen, Wurzeln und Beeren wiedergibt, die in seiner nächsten Umgebung wachsen. Das unterscheidet diesen Gin fundamental von allen anderen, die ich kenne. Nickis erklärtes Ziel ist es, den duftenden Geist ’seiner‘ Landschaft in Flaschen zu füllen. Dass er sich dabei nicht schwer tut ist seinem ausgeprägten „Kräutergedächtnis“ zuzuschreiben, wie er sagt. Das habe sich bei der Komposition des Stelvio-Gin so richtig bezahlt gemacht.


Es sind insgesamt zwölf verschiedene Zutaten, allesamt aus BIO-zertifiziertem Anbau, die den Stelvio-Gin ausmachen. Zuallererst natürlich Wachholderbeeren, dann Schafgarbe, Schalen von BIO-Äpfeln, Preiselbeeren oder Nadeln von Latschenkiefern. Und woher nimmt er die wichtigen Zitrus-Komponenten, die einen Gin so richtig frisch machen? „Es gibt ja den Zitronenthymian und die Zitronenminze“ sagt er lachend. „Die geben meinem Gin eine frische Zitrusnote“.

Die Gin-Kräuter legt Niki zwischen drei Tagen und einer Woche in einer Mischung von BIO-Weizen-Alkohol und reinem Quellwasser der Faslarhöfe ein. Bittere wie die Schafgarbe kommen allerdings erst beim eigentlichen Destillationsvorgang zum Zug. Meine Verwunderung ob des Quellwassers war groß. Normalerweise wird ein Destillat trüb, wenn ‚normales‘ Quellwasser zugefügt wird.

Auch in diesem Punkt geht Nicki nicht den geringsten Kompromiss ein. „Weshalb soll ich destilliertes Wasser nehmen, das von irgendwo hergekarrt wird“ sagt er. „Unsere Berg-Quelle liegt auf 1.600 m Seehöhe und liefert uns fantastisches Wasser, auf das ich nicht verzichten möchte.“ Er verwendet einen speziellen Filter der zu 100% aus natürlichen Laub- und Nadelhölzern gemacht wird. Durch ihn leitet er das Destillat nach dem Brennvorgang. „Dabei werden alle Schwebstoffe aber auch die Fuselöle ausgefiltert“ sagt er stolz.
Das Ergebnis: klarstes Bergwasser, das mit den feinsten Gewürz- und Beerennoten versehen ist. Ich kann dieses wunderbare ‚Stilzer Wässerchen‘ nur herzhaft empfehlen.
Wo gibt’s den Stelvio-Gin zu kaufen?
Meraner Weinhaus – Meran
PUR-Südtirol – Lana, Bozen
Karner Wein Plus – Prad am Stilfserjoch
Walzl Getränke – Glurns, Schlanders
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