Nie mehr kalte Füße im Winter. Das ist die erklärte Absicht einer Stubaier Patschen- und Pantoffel-Manufaktur, die sich ‚Guite Schuiche‘ nennt.
Allein schon der Name machte mich stutzig. Im SPAR-Geschäft Kofler in Telfes i. Stubaital wurden Patschen beworben, die als ‚Guite Schuiche’ firmierten. Diese Worte, so mein allererster Verdacht, deuten nach Osttirol. Was sich ja wenig später bewahrheiten sollte.
Sonja Steusloff-Margreiter, die bekannte Bassistin der ‚Stubaier Freitagsmusik‘, machte mich nämlich auf diese neue, regionale Besonderheit im Stubai aufmerksam. In Schönberg würden original Tiroler Hauspatschen in Handarbeit und sagenhaft guter Qualität hergestellt. Sie empfahl mir, doch einmal in der Manufaktur der ‚Guiten Schuiche‘ vorbeizuschauen. Weshalb Sonja diese Empfehlung aussprach war mir nach meinem Besuch sonnenklar: eine Hälfte der beiden Proponenten der ‚Guiten Schuiche‘ ist Stubaierin, beide gemeinsam sind begeisterte Volksmusikanten.


Ich kann guten Gewissens behaupten, seit Jahrzehnten keine ‚normalen Schuhe‘, also keine zusammengekleisterten Plastik- und Chemieschuhe mehr zu kaufen, geschweige denn zu tragen. Seit Jahrzehnten schon bin ich Kunde der ‚Waldviertler Werkstätten‘ und liebe deren Qualitätsschuhe. Bei den Patschen war ich weniger wählerisch. Neben meiner grundsätzlichen Neugier geht es mir aber auch um altes Handwerk, das ich in Tirol aufspüren will. ‚Guite Schuiche‘ zu kontaktieren war also nur konsequent. Ich nahm mit Thomas Walder und Regina Zorn in Schönberg Kontakt auf.

Ein Meister aus Kartitsch
Mit Thomas saß dann auch ein ausgebildeter Schuhmacher-Meister vor mir. Die sind heutzutage ähnlich selten wie weiße Raben. Er gibt auch gleich zu, dass ‚Guite Schuiche‘ tatsächlich aus dem Osttiroler Sprachschatz entlehnt sind. Logo, stammt er doch aus Kartitsch. Jenem Ort im Gailtal übrigens, der österreichweit den höchsten Akademikeranteil bezogen auf die Einwohnerzahl aufweist.

Dort absolvierte er seine Schuhmacherlehre bei einem Schuster, der fünf Minuten von seinem heimatlichen Bauernhof, also quasi ‚ums Eck’ entfernt werkte. „Man muss sich vorstellen“, erzählt er, „dass der 750 Einwohner-Ort einst 12-13 Schuhmacherbetriebe beherbergt hatte“. Damit war’s dann Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts vorbei, just nachdem Thomas die Lehre abgeschlossen hatte. Er folgte dann vor 30 Jahren dem Ruf seines ehemaligen Berufsschullehrers Staudinger, in den Dienst von dessen traditioneller Manufaktur für Orthopädieschuhe in Innsbruck zu treten. Und dort, in der Maximilian Straße, arbeitet er übrigens immer noch.
Gramartmusig
Schon beim Betreten des Hauses von Regina und Thomas an der Ortsgrenze von Schönberg und Mieders war mir ein Musikinstrument aufgefallen: eine große Tuba. Und als mir Thomas erzählte, Mitglied der in Innsbruck bekannten ‚Gramartmusig‘ zu sein, erkannte ich ihn quasi wieder. Gehört doch diese Volksmusikgruppe zu meinen erklärten Favoriten.

Nicht nur Thomas frönt der Volksmusik. Auch seine Partnerin Regina Zorn ist Volksmusikantin. Noch bevor die beiden ein Liebespaar geworden traten sie – getrennt – in einem Kalender des Tiroler Volksmusikwerkes quasi als ‚Models‘ auf. Er mit der Tuba, sie mit dem Alphorn. Dass sie sich dann auf einem Volksmusikabend näher kamen überrascht ganz und gar nicht.
„Wir lassen die Köpfe nur hängen, um unsere Schuhe zu bewundern“
Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden ist nun die Patschen-Manufaktur. „Sie ist aufgrund einer Idee von Regina entstanden“ erzählt Thomas. „Meine Schwester wollte wissen, ob denn ein Schuhmacher nicht auch Patschen machen kann. Und da wir gerade im Lockdown waren, entwickelten wir die Idee der ‚Guiten Schuiche‘ “ erzählt Regina. Ihr Leitspruch von Anfang an: „Wir lassen die Köpfe nur hängen, um unsere Schuhe zu bewundern“.

Regina arbeitet im Brotberuf als Pflegerin im Vinzenzheim von Neustift i. Stubai. Sie hat inzwischen aber bereits eine Art ‚Schusterlehre‘ bei Thomas absolviert. Zumindest was die Herstellung von Tiroler Hauspatschen anlangt. Und sie war es auch, die den Leitspruch ihrer Manufaktur entwickelt hatte: „Wir lassen die Köpfe nur hängen, um unsere Schuhe zu bewundern“.

Wie brennt eine Brandsohle?
Was ich noch nie wusste und nun bei meinem Besuch der Patschn-Manufaktur endlich in Erfahrung bringen konnte: weshalb ist jeder gute Schuh mit einer Brandsohle ausgestattet und welche Funktion hat diese? Meister Walder weiß das natürlich: „Das ist das Leder, das direkt mit dem Fuß in Kontakt steht, also das Fußbett. Genauer: es ist die Haarseite des Leders, die abgeschliffen aber nicht all zu glatt sein darf.“ Denn wenn das Leder völlig glatt ist, bewegt sich der Fuß auf der Sohle, er beginnt dann zu brennen. Davon, sagt man, komme der Ausdruck ‚Brandsohle‘. Bei den Patschen besteht die ‚Brandsohle‘ aber nicht aus Leder sondern aus abgestepptem Stoff.
Patschenmachen wie in alten Tagen
Und dann zeigen mir die beiden, wie ihre Haus-Patschen ‚nach altem Brauch’ gefertigt werden. Gänzlich ohne Chemie und weitgehend aus wiederverwendeten Stoffen. Zu hundert Prozent in Handarbeit werden drei Stoffschichten über hölzerne Leisten geschlagen. Holz deshalb, so Thomas, weil „beim Aufbau von Patschen die Stoffschichten mit Roggenpapp verklebt werden. Das Holz kann Feuchtigkeit absorbieren, was ja nicht unwichtig ist.“ Roggenpapp? Das ist Roggenmehl mit Wasser angerührt. Pickt wie ‚der Teifl‘, sagt Thomas.


Die innere Stoffschicht der Patschn besteht aus Kitzbüheler Walk, auf den mit Roggenpapp eine Schicht aus Recyclingstoffen geklebt wird. Den Abschluss nach außen bilden Stoffe aller Art. Das reicht von Vorhangstoffen bis zu Jeansstoffen, die aus alten Hosen geschnitten werden. „Da haben unsere Kunden gute Ideen“ sagt Regina. Wer den Außenstoff mit einer Stickerei verschönert haben will kann das bei Guite Schuiche kriegen.


In einem kurzen Video führt Thomas vor, wie quasi das ‚Grundgerüst‘ der Patschen in Handarbeit entsteht. Schaut relativ einfach aus, ist es aber meines Erachtens ganz und gar nicht.
Individuell und exklusiv: Wifling- oder Trachten-Patschen
Meine jahrzehntelange Suche nach der ominösen Stoffart, bei der Flachs bzw. Leinen beim Weben die Kette und Schafwolle den Schuss bildet, ist ja vor einigen Jahren erfolgreich gewesen: Martin Stern aus Neustift ist der letzte Handweber, der diesen in Tirol einst weit verbreiteten Stoff namens ‚Wifling’ auf seinem Handwebstuhl herstellt. Dass der Stoff nun auch im Patschn-Repertoire von Regina und Thomas auftaucht ist eigentlich klar: „Wir wollen nicht nur Recyclingmaterial verwenden sondern auch regionale Produkte verarbeiten“ sagt Regina. Thomas ergänzt: „Wenn auf den Filz, der normalerweise die Sohle von Patschen bildet noch eine Gummisohle aufgebracht wird kann man nicht nur Wifling-Patschen bei trockenem Winterwetter natürlich auch im Außenbereich tragen.“




Ihr ‚Patschn-Design‘ geht sogar soweit, dass zwei Innsbrucker Rechtsanwälte Patschen in ihrem Büro tragen. Das schont nicht nur das Interieur ihrer Büros, sondern auch die Füße. Ganz abgesehen davon, dass das Design außergewöhnlich und exklusiv ist.
Mit den Patschn tanzen? Gerne auch mit Trachten-Patschen.
Eine ihrer erfolgreichsten Kreationen sind die ‚Trachtenpatschn‘, die sich vor allem in Schützenkreisen größter Beliebtheit erfreuen. „Einer unserer Bekannten hat diese Patschen auf der Tanzfläche probiert und ist begeistert“, weiß Regina. Und dass sich diese häusliche Fußbedeckung bei Volksmusikant_innen durchsetzt, daran gibt’s für mich keinen Zweifel. Denn die Guiten Schuiche gibt’s vom 27. bis zum 30. Oktober 2022 im Congress Innsbruck zu bewundern.

Guite Schuiche zum Anfassen und Anprobieren
Der heurige ‚Herma-Haselsteiner-Volksmusikwettbewerb‘ vom 27. bis zum 30. Oktober ist für Regina und Thomas eine tolle Gelegenheit, ihre Kreationen einem großen Publikum zu präsentieren. Wer die Riesenauwahl an ‚Guiten Schuiche‘-Patschen bewundern will, sollte sich diese Gelegenheit am Wochenende nach dem Staatsfeiertag nicht entgehen lassen. Ihr Info-Stand ist or dem Saal Tirol.
Weitere Informationen wie auch die Preise dieser Tiroler Hauspatschen und -Pantoffeln auf Facebook der Website der Guiten Schuiche, https://www.guite-schuiche.at/
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