Seit mehr als zehn Jahre ‚mischt‘ der Kabarettist Markus Koschuh die Tiroler Politszene so richtig auf. Sein neuestes Programm ‚wOHNMACHT’ wird von Publikum und Presse bejubelt. Ich möchte endlich von ihm wissen, wie man Kabarettist wird. Und ob es spezielle Voraussetzungen dazu braucht.
Vor 15 Jahren war’s aus mit Lustig in Tirol. Endlich. Vorbei die Zeiten, in denen präpotente Politiker_innen mit selbstgerechter Selbstverständlichkeit tun und lassen konnten was sie wollten. Es war jene unsägliche Zeit, als sie gemeinsam mit Dorfkaisern, Spekulanten, Tourismusfanatikern und Seilbahn-Potentaten quasi sakrosankt waren.
Die Zeiten vor dem Koschuh.
Ich hatte noch Otto Gründmandl erlebt, den grandiosen Wortspieler, der freimütig bekannte: „Politisch bin ich vielleicht ein Trottel, aber privat kenn‘ ich mich aus“. Er hatte die Phraseologie zur Wissenschaft gemacht aber Politiker im Kabarett nicht namentlich genannt. Er hatte vielmehr den Typus der Politiker im Auge.
Mit Koschuh vollzog sich eine Art Wiedergeburt des Kabaretts in Tirol. Diesmal mit politischem Tiefgang und ohne Rücksicht auf Verluste. Defraudanten, Politgünstlinge und Korruptionisten aller Schattierungen bekommen seither ihr Fett ab. Nennt er doch – im Gegensatz zu Gründmandl – Roß und Reiter beim Namen.

Es ist interessant zu wissen, wem wir die Wiedergeburt des hochpolitischen Tiroler Kabaretts indirekt zu verdanken haben. Einer Kunstrichtung nämlich, die sich bei jungen Menschen großer Beliebtheit erfreut: dem Poetry-Slam. Aber ich fange von vorne an.
Witze sind Gift für Potentaten
Es ist bekannt: Mächtige hassen es, wenn man sich über sie lustig macht, vor allem, wenn man scheppernd über sie lacht. Sie wissen: es sind Witze, die ihre Macht schleichend untergraben. Perfekt vorgeführt in seinem fantastischen Programm ‚Agrargemein‘. Hier die Rede des Bürgermeisters:
Genau das ist das Rezept eines auf den ersten Blick unscheinbaren ‚Mandles’, das sich in regelmäßigen Abständen über sie lustig macht. Sein Name: Markus Koschuh. Der bisherige Höhepunkt seines Schaffens ist das neueste Programm ‚wOHNMACHT‘. Eine faktengestützte, rasante Abrechnung mit Spekulanten, Politiker_innen und der Gier von Vermieter_innen. Oft unterbrochen von tosendem Lachen und Applaus des Publikums.
Ich hatte mich schon bei seinen vergangenen Programmen wie ‚Hochsaison‘ oder ‚Oben ohne‘ gefragt, wie er es schaffen kann, ein Bühnenprogramm in atemberaubendem Tempo so zu präsentieren, dass es Lachstürme auslöst. Markus kam mir oft vor wie jene Stimme aus dem TV-Apparat, die in einer enormen Rasanz den mündlichen Warnhinweis herunterrattert: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage oder fragen Sie Arzt und Apotheker“.
Dass er die stakkatoartige Geschwindigkeit auch in seinem neuen Programm ‚wOHNMACHT‘ als eine Art Stilmittel einsetzt machte mich neugierig: Wie und wo hat sich Markus sein Sprechtempo angeeignet? Was treibt diesen Mann eigentlich an? Und: wie wird man Kabarettist? Zuguterletzt: kann man in Tirol davon überhaupt leben?

Poetry-Slam als Initialzündung
Ein entscheidender Wendepunkt im Leben des 1977 in Innsbruck geborenen Kabarettisten war 2001 ein Besuch eines Poetry-Slams im von der Tiroler Politik später zu Grabe getragenen Kulturgasthaus Bierstindl. Es musste gar eine Art ‚Damaskus-Erlebnis‘ gewesen sein, denn „bei der nächsten Poetry-Slam-Veranstaltung war ich dann schon Teilnehmer“ erzählt er stolz. Endlich konnte er das ausleben, was er immer gerne getan hat: mit Worten und der Sprache arbeiten.
Die dann folgende ‚Karriere‘ als Poetry-Slammer war ähnlich rasant wie seine Sprachgeschwindigkeit. Er gewann zweimal die Österreichische Meisterschaft und wurde sogar Vize-Europameister. Für alle, die sich darunter nix vorstellen können: Nach Wikipedia handelt es sich dabei um einen „literarischen Wettbewerb, bei dem selbstverfasste Texte innerhalb einer bestimmten Zeit vorgetragen werden und bei dem die Zuhörer anschließend den Sieger küren.“
Worte zum Leben erwecken
Markus Koschuh hatte aber bald Probleme mit der zehn Minuten-Begrenzung beim Poetry-Slam. Er hatte mehr zu sagen, als er in einen Poetry-Slam-Auftritt packen konnte, wollte er doch schon als Jugendlicher ‚Worte zum Leben erwecken‘. Genau das konnte er aber mit Kabarett erreichen: profunde Texte, die er auf einer Bühne inszeniert. Und so war’s wiederum logisch, dass er seine ersten Schritte als Kabarettist auf der Bierstindl-Bühne machte ohne auf Poetry-Slam zu verzichten.

„Was mich reizt, hab’ ich immer gerne gemacht“
Die Suche nach seiner wahren Berufung dauerte einige Jahre und führte in einige Sackgassen. Nachdem er die Matura intensiver als andere, nämlich in mehreren Anläufen absolviert hatte begann er ein Volkswirtschaftsstudium. Nur um zu erfahren, was die Wirtschaft im Innersten zusammenhält. Er wandte sich entsetzt ab als er erkannte, dass ein Volkswirtschaftsstudium ein verkapptes Mathematikstudium ist. Worauf er sich der Germanistik zuwandte. Aber auch da ging’s nicht in die von ihm gewünschte Richtung, worauf er sich in mehreren Jobs versuchte. Bis er 2001 den Poetry-Slam kennen lernte. Seither ist viel Wasser den Inn herunter geronnen. Markus ist immer noch Poetry-Slammer, hat sich aber in der Zwischenzeit nicht nur hierzulande zu einem kabarettistischen Markenzeichen entwickelt.
„Ich will Wahrheiten präsentieren, die nicht allen genehm sind“
Was mich an Koschuhs Programmen fasziniert: er baut auf Zahlen und Fakten. Genau das unterscheidet ihn von sogenannten ‚Comedians’, bei dem es um eine schnelle Pointe geht. „Kabarett ist für ihn „nachhaltiger aufgebaut, theatralisch und politisch“. Bei Koschuh ist noch zu ergänzen: „deren Zahlen und Fakten recherechiert sind“.
Als einst investigativer Journalist weiss ich, wie zeitaufwändig und ermüdend, bisweilen sogar ätzend es ist, komplizierte Recherchen durchzuführen. ‚Check, check, Gegencheck’ lautet die Zauberformel. Genau das hat Markus nicht erst bei seinem neuestes Programm ‚wOHNMACHT‘ getan. Wer sich an seine im Programm ‚Agrargemein‘ verwendeten Fakten erinnert weiß, dass Koschuh genausogut ein blendender investigativer Journalist wäre. Jedenfalls attestiert ihm Kulturkritiker Markus Stegmayr in einer überaus positiven Kritik in der Tiroler Krone in Sachen komplexer Sachverhalte ‚eine beeindruckende und effektive Erklärungskomik‘.
Wie entsteht ein neues Programm?
„Mich muss ein Thema aufwühlen, denn nur dann kann ich authentisch sein“ antwortet er auf meine Frage, weshalb er zum Beispiel die Wohnungsnot in seinem neuen Programm thematisiert. „Ich kenne ja das Problem der Wohnungssituation in Innsbruck aus eigener Erfahrung, kenne die Sorgen und Nöte der Leute. Meine Recherchen bei Expert_innen geben erste faktische Hinweise, wo der ‚Hund begraben‘ ist. Auch im Internet findet man allerlei Hinweise. Wer sich dann an’s Lesen des Grundbuches macht, findet dann noch höchst Überraschendes.“

Sechs Monate brauchte er, um das neue Programm ‚wOHNMACHT‘ auf die Beine zu stellen. „Das Thema hat mich natürlich schon vorher beschäftigt, also war der Einstieg nicht sehr schwer“. Im Gegensatz dazu benötigte er für sein bislang erfolgreichstes Programm Agrargemein eine jahrelange Vorlaufzeit, bis er diesen Tiroler Urskandal in ein Programm gepackt hatte.
Als Schulbub vor Publikum umgekippt
In allen seinen Programmen singt er auch. Das dürfte auf eine Art kindliche Sozialisierung zurückzuführen sein. Denn, so erzählt er gerne, er hätte als sieben- oder achtjähriger an einem Landes-Volksschulsingen mit seiner Schulklasse im Congress teilnehmen sollen. Er sei aber beim Betreten der Bühne angesichts der Zuschauer in Ohmacht gefallen und erst wieder im Sanitätsraum aufgewacht.

Das Singen holt er nun offenbar in seinem Kabarettistenleben offensiv und ausgiebig nach. Vor Publikum fällt er sicher nicht mehr um. Im Gegenteil. Heute bevorzugt er ein kurzes Schlaferl vor dem Auftritt um ausgeruht ans Werk zu gehen.
Ein Kabarettauftritt als Gemeinschaftsleistung
Eine Schauspiel- oder Sprachausbildung wollte er aus verschiedenen Gründen nicht absolvieren. Vor allem, um seine Authentizität, quasi sein Idiom zu wahren. „Ich bin _Autodidakt“ sagt er stolz. „Ein Bühnendeutsch wär kontraproduktiv für einen Tiroler Kabarettisten“.
Wer glaubt, ein Kabarettist und ein Beleuchter würden zur Bewältigung eines Programmes ausreichen täuscht sich gewaltig. Das beginnt schon bei der Gestaltung eines Plakates, für das Günter Hofer mit seinen „genialen Ideen“ verantwortlich zeichnet.
Auch im neuen Programm spielt der Sound- und Lichtdesigner Tom Neumeyr („ein wunderbarer Typ“) auch gleich eine nicht unwesentliche Sprechrolle. Ebenso Lisa Hörtnagl, die für die weibliche Stimme aus dem Off verantwortlich ist. Und das alles bringt Harald Windisch als Regisseur so richtig unter einen Hut.
Dass Markus Koschuh seine Premieren (mit Ausnahme einer Premiere während der Covid-Zeit) stets im Treibhaus abhält hat einen ganz einfachen Grund: „Der Norbert (Pleifer) scheißt sich gar nix. Dem kann niemand damit drohen, dass ein Koschuhauftritt vielleicht nicht so günstig wäre, wie das am Land bisweilen vorkommt.“ Dass er überhaupt ein Leben als Kabarettist führen könne sei aber vor allem seiner Frau geschuldet, die ihm den Rücken freihält.
Die Frage, ob er von seinen Auftritten leben kann bejaht Markus freimütig. „Gut sogar“, meint er. Wie sehr man seine Kabarettprogramme schätzt zeigen Einladungen nach Wien und Salzburg. Zweimal noch gibts die ‚wOHNMACHT’ im Treibhaus, dann in der Leutasch und in Tux. Über Weihnachten dann sein Schenkelklopfer, den ‚Jahrmarkt der Heiterkeiten‘. Details zu seinen Auftritten entnehmt bitte der Koschuh-Website https://www.markuskoschuh.at/termine-2/
Kabarett-Nachwuchs
Es ist die Tiroler Kabarett-Nachwuchszene, um die sich Markus verstärkt kümmern will. Das Argument, sich selbst quasi die Konkurrenz heranzuzüchten lässt er nicht gelten. „Nur eine lebendige Szene ist eine gute Szene“ sagt Koschuh und ergänzt: „Wenn Gutes nachkommt muss man sich selbst ja auch am Riemen reißen.“
TERMINE:
Achtung: am 14. und 15. 10. vorerst letzte Vorstellungen von wOHNMACHT im Treibhaus Innsbruck
20.10., wOHNMACHT im Ganhofermuseum Leutasch
12.11. wOHNMACHT im Tux-Center in Tux.
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