Eine junge Bergbauernfamilie hat den Stier quasi an den Hörnern gepackt. Die extrem verschärften Tierhaltungsbestimmungen der BIO-Verbände nahm sie zum Anlass, Stall und Tenne neu zu bauen und den Hof ‚zukunftsfit‘ zu machen. Ab sofort ist die Familie Schwaiger nicht mehr von Preisen abhängig, die ‚der Weltmarkt‘ vorgibt. Sie vermarktet neben Fleisch nun auch die Milchprodukte selbst. Dabei kann die BIO-Bauernfamilie auch auf einige SPAR-Nahversorger und einen Hofladen bauen, die die BIO-Produkte als ehrliche, regionale Spezialität anbieten.
Markus und Maria Schwaiger standen vor einer ‚Lebens-Entscheidung‘: Entweder eine riesige Investition zu tätigen um weiterhin nach BIO-Normen arbeiten zu können. Oder aber die Milch als ‚Normalbetrieb’ zu Preisen verschleudern zu müssen, zu denen selbst Bergbauern nicht mehr positiv wirtschaften können.
Ich will hier die Geschichte eines Neustarts dieser jungen Bergbauernfamilie erzählen, deren Traum es ist, einmal im Vollerwerb arbeiten zu können. Wie sie mit vereinten Kräften eine riesige Investition stemmt und ihren BIO-Hof mit neuen Produkten zukunftsfit macht. Es ist eine Geschichte, die mir tiefen Respekt abnötigt.


Mein Lieblings-BIO-Hof
Es stimmt. Der BIO-Berghof Rohr in Fieberbrunn ist mein Lieblings-Bergbauernhof. Die Lage, das Bauernhaus, die Menschen. Da passt für mich alles zusammen. Bisher habe ich, wie viele andere auch, Jungrind- und Hühnerfleisch, aber auch die hervorragende Wurst und einige Suppenhühner vom Hof bezogen. Mehr noch: ich hab’s jeweils zu Fuß abgeholt. Ein wunderbarer Ausflug übrigens.
Und genau hier hat sich innerhalb eines Jahres sehr viel Positives getan. Ich hab ja schon zwei Blogposts über den Hof verfasst. Nun möchte ich ihn und die dort arbeitenden Menschen erneut ‚besingen‘. Zu schön und zu schmackhaft sind für mich die Neuigkeiten.
Eine existentielle Entscheidung
Es war vor etwas mehr als einem Jahr, als ich einen Anruf von Maria Schwaiger erhielt. Sie und ihr Mann Markus bewirtschaften den 1377 (!) erstmals erwähnten Hof und standen vor einer existentiellen Entscheidung: entweder sie erfüllen die brutal verschärften BIO-Viehhaltungs-Bedingungen oder steigen ganz aus BIO oder sogar aus der Landwirtschaft aus. Ich bat die beiden damals händeringend, trotz der bürokratischen Schikanen, die Brüssel den BIO-Bauern aufbürdet, auch weiterhin zu BIO zu stehen und diesen historischen, einzigartigen Bergbauernhof weiter giftfrei zu führen. Einige Wochen später konnte ich aufatmen: Markus und Maria Schwaiger sind der BIO-Bewegung treu geblieben, Gottseidank. Die Voraussetzung dafür waren allerdings Investition in sechsstelliger Höhe. Und die zogen sie in Rekordzeit hoch: Ein funkelnagelneues Betriebsgebäude ziert nun den Hof auf 1.000 m Seehöhe.

Diese Investition muss abbezahlt werden. Das ist der Grund, weshalb sich auch bei Produktion und Vermarktung sehr viel getan hat. Ich möchte hier schildern, wie eine Bergbauernfamilie ihre landwirtschaftliche Zukunft plant. Und intensiv damit begonnen hat, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
Weshalb muss es BIO sein?
Für mich, der ich seit Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts direkt mit BIO-Produkten zu tun habe, war BIO schon immer das dringendste Gebot der Stunde. Weshalb? Damals wie heute laufen wir sehenden Auges in eine Katastrophe. Und die hat stark mit unserer rücksichtslosen Agrarindustrie mit Monokulturen und brutaler Massentierhaltung zu tun:
- Auf kleinstem Raum werden massenhaft Tiere gehalten. Deren Futter für die Milch- und Fleischproduktion stammt meist aus der Dritten Welt. Als Nebenprodukt entstehen hochtoxische Gülle-Seen. Auf Wiesen ausgebracht vergiftet die Gülleschwemme schlußendlich unser Grundwasser. Nicht genug damit. Die Produktion der gentechnisch veränderten Eiweißfuttermittel wie Soja erfolgt unter Einsatz von hunderttausenden von Tonnen hochgiftiger ‚Pflanzenschutzmittel‘. Stichwort Glyphosat.
- Ich habe es noch nie verstanden, weshalb Menschen Gemüse und Früchte essen, die vor dem Verzehr mit teils hochgiftigen Stoffen ‚behandelt‘ werden. Der belegbare ‚Nebeneffekt‘ der Monokulturen: ein riesiges Insekten- und Vogelsterben, eine kaum mehr zu behebende Bodenvergiftung und Genveränderungen bei Mensch und Tier.

Steigende Getreidepreise als Warnung
Der ruinöse Umgang mit Grund und Boden, Stichwort Gülle und hochgiftige Agro-Gifte, gefährdet heute schon die Lebensmittelversorgung. Die Böden werden unfruchtbar, Missernten sind in Zeiten der Klimakatastrophe vorprogrammiert. Das massive Ansteigen der Getreidepreise sind erste Zeichen des drohenden Unheils.
Auch das über Kontinente hinweg betriebene klimazerstörende Verschieben von Eiweißfuttermitteln mit all den Nebenwirkungen wie Meeresverschmutzung und CO2-Ausstoß hat direkte Auswirkungen auf unsere Zukunft. Wir sollten uns bewusst sein, dass die Futtermittel vor allem die Fleischeslust des Westens befriedigt.
BIO-Höfe betreiben ‚bodengebundene Produktion‘
Der eigentliche Grund, weshalb ich BIO-zentriert bin ist nicht etwa meine Gesundheit. Jemand, der 40 Jahre lang geraucht hatte darf sich über mit Gift bearbeitetes Gemüse und Industriefleisch weniger aufregen. Was mich an BIO-fasziniert ist die sogenannte ‚bodengebundene Produktionsweise‘, die BIO-Betriebe einhalten müssen. Mit anderen Worten: BIO-Bauern dürfen nur soviel Tiere halten, wie sie mit hofeigenen Futtermitteln versorgen können. Damit ist Massentierhaltung in BIO-Betrieben ausgeschlossen. Und wenn Massentierhaltung ausgeschlossen ist gibt’s auch keine Gülleseen. Und Gifteinsatz ist im biologischen Landbau ja logischerweise total verboten.

‚Regional’: Zum Großteil Etikettenschwindel
Derzeit wird speziell in Tirol versucht, mit dem Wort ‚regional’ einen perfiden Etikettenschwindel zu betreiben. Man will die enormen Profite retten, die mit der Verarbeitung von bäuerlichen Produkten erzielt werden können. Mehr noch: damit soll auch verdeckt werden, dass es auch regional, also in Tirol, Massentierhaltung und massiven Gifteinsatz gibt.
Die Lebensmittel- und Chemieindustrie hat erkannt, dass immer mehr Konsument_innen von der chemischen Produktionsweise samt Massentierhaltung abgestoßen werden. Da kommt ihnen das Wort ‚regional‘ gerade recht. In Wahrheit ist es ein hohler Appel an den Tiroler Lokalpatriotismus. Denn die Lebensmittel-Industrie fürchtet, dass ihnen die monetären Felle davonschwimmen. ‚Regional‘ suggeriert, dass Tiroler Bauern weder Gift einsetzen noch zu viele Tiere teils in Riesenställen halten. Regional soll hiermit Gift und Gülle ‚neutralisieren‘. Genau das stimmt zum allergrößten Teil nicht.
Importiertes Kraftfutter für ‚regionale‘ Produktion?
Ist es wirklich ‚regional‘, wenn ohne größeren Grundbesitz dutzende Rinder gemästet und gemolken werden, deren Kraftfutter aus Südamerika stammt? Deren Fleisch und Milch dann mit dem Etikett ‚regional‘ versehen wird? Oder ist Fleisch etwa ‚regional‘, wenn Schweine aus deutscher Massentierhaltung hier geschlachtet werden? Ist der Speck ‚tirolerisch‘, wenn das Fleisch von belgischen, holländischen oder deutschen Schweinen aus Massentierhaltung hier in einem industriellen Prozess geräuchert wird?
Regional am Beispiel des BIO-Berghof Rohr
Die Familie Schwaiger hat sich für den Verbleib in der BIO-Bewegung entschieden. Sie ist also bereit, auch in Zukunft die strengen Kontrollen über sich gehen zu lassen. Ihre Tierhaltung orientiert sich an der bearbeiteten Bodenfläche. „Wir können also die Produktionsmenge nicht ausbauen“ sagt Markus Schwaiger. Seine Frau Maria, Mutter dreier Kinder, ist für Innovation und das Marketing am BIO-Berghof Rohr zuständig. Sie begann gemeinsam mit Markus neue am BIO-Hof erzeugte Endprodukte zu entwickeln. Deshalb wurden mit dem Stallneubau auch gleich Milchverarbeitungsräume eingerichtet.

Die ersten Ergebnisse vieler Schulungen, Versuche und Abklärungen sind jetzt in vielen kleinen Lebensmittelläden der Pillerseeregion zu kaufen. Die Schwaigers hatten ja schon vor 2 Jahren in einem ersten Schritt begonnen, ihre Produktpalette zu erweitern. Begonnen hatte es mit ihren BIO-Freilandhühnern. Einerseits als BIO-Fleischhühner. Andererseits als gackernde Schar, deren Eier im SPAR-Markt Hofer von Fieberbrunn zu einem ‚Renner‘ geworden sind.
Milchverarbeitung als Herausforderung
Seit einigen Wochen läuft nun die Milchverarbeitung am Hof quasi auf vollen Touren. Der Rohstoff ist jene exzellente Milch, die von den hofeigenen „Tiroler Grauen“ stammt. „Vom Milchverkauf könnten wir sicher nicht leben“ sagt Markus Schwaiger. „Erstens, weil die Grauen wesentlich weniger Milch ‚hergeben‘, nämlich nur maximal die Hälfte von industriellen Milchkühen. Und zweitens wird die sehr spezielle, fettreiche Milch der Tiroler Grauen nicht besser bezahlt.“

Die Schwaigers zogen daraus die Konsequenz: Die Produktlinie des BIO-Berghofs Rohr ist nicht nur um wunderbare, wohlschmeckende BIO-Joghurtsorten reicher. Mit der Neuorientierung der Hoferzeugung gelang es der BIO-Bauernfamilie auch, ein Paradeprodukt zu kreieren: die ‚Grauvieh-Perlen‘. Es handelt sich dabei um wunderbar gewürzte Topfenbällchen in feinem Öl. Hier schmeckt nicht nur der Gourmet die unübertreffliche Milch der Grauen Tiroler Rinder durch. Dazu kommt noch, dass das Ausgangsprodukt Rohmilch ist. Und genau das beschert den Genießer_innen ein einmaliges Geschmackserlebnis. Der geplanten Herstellung von BIO-Graukäse von der Milch der Tiroler Grauen sehe ich jedenfalls jetzt schon mit Freude entgegen. Im Sommer ist dann sogar geplant, BIO-Buttermilch anzubieten.


Regionale Produkte in regionalen Lebensmittelgeschäften
Nun blieb nur noch die Frage des Vertriebs. Besser gesagt der Verkaufsstellen dieser einzigartigen Milchprodukte. Aber Maria hatte ja darin ja schon Erfahrung. Ihre BIO-Freilandeier sind inzwischen in der Region ebenso bekannt wie der Name: BIO-Berghof Rohr. Also schob sie quasi Joghurt und Topfenbällchen nach. Die werden jetzt gleich in mehreren Verkaufsstellen in der Region Pillerseetal mit Erfolg angeboten.



Im SPAR-Vorzeigemarkt von Alois Hofer in Fieberbrunn zieren die neuen Rohrhof-Spezialitäten ein BIO-Regal direkt am Eingang, nicht zu verfehlen. Gratulation und Dank an den Eigentümer des Marktes, der mit solchen Aktionen nicht nur die lokalen Bauernhöfe unterstützt. Er versorgt seine Kund_innen mit nachhaltigen Lebensmitteln. Denn auch die BIO-Rohrhof-Freilandeier im SPARmarkt Hofer verfügen über ein eigenes Verkaufsregal. Absolut einzigartig.
Eigentlich logisch, dass das kleine und sehr feine ‚Hofladl am Naturhof Burgwies‘ der Familie Pletzenauer in Fieberbrunn die Milchprodukte auch im Verkaufssortiment führt. Die Haltbarkeitsdauer von Joghurt und Topfenbällchen in Öl ist relativ groß und damit auch für kleine Hof-Läden kein Problem.

Auch Maria und Jakob Kapeller im SPAR-Markt in St. Jakob im Haus haben die Zeichen der Zeit erkannt. In ihrem ‚Hauser Krumma’-Markt führen sie selbstverständlich die regionalen BIO-Qualitätsprodukte.

Ein weiteres SPAR-Nahversorgungsgeschäft, das die Milchprodukte vom Rohrhof anbietet, befindet sich in St. Ulrich am Pillersee. Auch dort fördert Ernst Kolinger regionale Qualitätsprodukte.
Was passiert mit der anfallenden Molke?
Markus Schwaiger hatte schon vor zwei Jahren begonnen, im Sommer Waldschweine zu halten. Die tummelten sich in den hofeigenen Wäldern, wühlten die Erde auf und ließen sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Solange sogar, bis sie Sonnenbrand bekamen.
Jetzt, da die Milchverarbeitung am Hof in vollem Gang ist, erscheint es logisch, wiederum Schweine einzustellen. Der alte Spruch, „wo gesennt wird gibt’s auch Schweine“ gilt jetzt für den BIO-Berghof in besonderem Maße. Denn Molke wird seit Menschengedenken von Schweinen geschätzt und quasi neutralisiert. Würde man Molke in einen Bach schütten könnte man zuschauen, wie die Fische bachabwärts aber bauchaufwärts schwimmen. Denn bei der Oxydation der Molke wird dem Wasser nahezu der gesamte Sauerstoff entzogen.



Auch in der Schweinezucht gehen die Schwaigers neue Wege. Die drei reinrassigen, teifschwarzen Tiroler Almschweine – sie gelten als bedrohte Haustierrasse – begrüßen Hofbesucher auch im Winter in ihrem Auslauf im Freien. Ihr Fell ist schon lang und schützt perfekt vor der Kälte. Gemeinsam mit weiteren drei ‚normalen‘ Schweinen bewohnen sie einen eigenen Bereich des ‚Open-Air-Stalls‘ am Rohrhof.

Gleich neben den Schlafplätzen der Schweine lieben vier Ziegen, deren Fell silbergrau schimmert, ihren ‚Hochsitz‘. Es sind Tiroler Blobe-Gaissen, die auf ihrem Hochsitz die wohl beste Aussicht auf den Stall genießen können. Sie gehören ebenfalls einer vom Aussterben bedrohten uralten Haustierrasse an.

Dass die ‚teuren Logenplätze’ für die Kühe reserviert sind ist quasi logo. Die Aussicht würde jedem Luxushotel zur Ehre gereichen, 5-Stern-De Luxe. Und wenn ihnen im Winter zu langweilig ist im Laufstall vertreten sie sich eben die Füße im befestigten Auslauf. ‚Grauvieh-Chefin‘ Lena tut das bei jeder Gelegenheit.

Das neue Service des BIO-Berghof Rohr: Online-Vorbestellungen auf der Web-Site
Logisch, dass die Reorganisation des Hofes auch die Gestaltung einer eigenen Web-Site beinhaltet hat. Nun können all jene, die die Arbeit dieser Bergbauernfamilien als Kunden unterstützen wollen Vorbestellungen online tätigen. https://www.bioberghofrohr.at/shop
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