Unsere WAMS-Läden in Tirol: Second Hand und fast wie neu.

In Tirol gibt es eine fantastische, viel zu wenig bekannte Alternative zu den textilen Schund- und Plunder-Geschäften. Ihr Name: WAMS. Dahinter verbirgt sich eine überaus erfolgreiche Tiroler Sozialinstitution.

In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts als Trägerverein von Sozialökonomischen Betrieben gegründet, hat sich diese Arbeitsmarkt-Initiative in Tirol für mich zu einer Art Herausforderer von Gierkonzernen entwickelt. Im Gegensatz zu diesen auf maximalen Profit getrimmten Unternehmen, die ihren textilen Billigstplunder ohne Rücksicht auf Sklavenarbeit und Umweltvergiftung verhökern, bieten die WAMS Läden aus zweiter Hand neben Textilien auch Haushalts-, Sport- und Kinderwaren zu absoluten Tiefstpreisen an. Das alles ist das Resultat der täglichen Arbeit in den verschiedenen WAMS Betrieben, die sich zum Großteil aus Eigenerwirtschaftung durch den Verkauf von Second-Hand-Qualitätsprodukten finanziert.

Dieser Schriftzug ist in Tirol bereits gut bekannt. Ich erkundigte mich, was ihn so besonders macht. Bild: WAMS

Ich hab‘ eine Schwäche für Loden und Leinen von WAMS

Ich geb’s gerne zu: Seit Jahren schon bin ich Stammkunde dieser bemerkenswerten Tiroler Institution. Meine derzeitige Ausstattung an Oberbekleidung stammt mindestens zu 80 Prozent aus den WAMS-Geschäften in Innsbruck und Telfs. Nicht nur die Suche nach Leinen und Loden, sondern auch jene nach Küchengeräten, Schuhen oder Heimtextilien führt mich immer zuerst zu einem der vier WAMS-Läden im Tiroler Inntal. Was mich aber immer gewundert hatte waren die Preise für Leinenhemden oder Lodenmäntel, ganz zu schweigen von Sportgeräten wie Ski. Sie schauen aus wie neu und werden und werden dennoch zu unglaublich günstigen Preisen angeboten. Ich wollte einmal genauer wissen, was hinter dem Geheimnis hoher Qualität zu niedrigen, bisweilen sogar vernachlässigbaren Preisen steckt. 

Das WAMS-Verkaufsgeschäft in Telfs. Mitten in der Stadt und Preise, die eigentlich unglaublich sind. Bild: Kräutler
Die Hartwarenateilung bei WAMS Telfs. Alles was das Herz begehrt zu Preisen wie anno Schnee.

WAMS schützt vor sozialer Kälte

„Die Bedeutung des Namens WAMS ist keine Abkürzung“, korrigiert mich Christine Regensburger bei meinem Besuch in der Innsbrucker Zentrale. Ich war der Meinung, das Wort wäre ein Akronym. Die sozialpädagogische Leiterin des Vereins erzählt, dass die Gründer_innen „den Namen eines Kleidungsstücks erwählten, das die Menschen vor Kälte schützt“. Der Sohn einer ihrer Mitarbeiterinnen hatte den Namen später quasi genial ‚entschlüsselt‘: Wieder Arbeiten Macht Spaß. Das trifft den Nagel auf den Kopf.

Der eigentliche Auslöser, den Verein 1984 zu gründen, war nämlich eine Initiative des legendären Sozialministers Alfred Dallinger. Er initiierte politische Aktionen wie die ‚aktive Arbeitsmarktpolitik‘, um die Jugendarbeitslosigkeit zu verringern. Damals wurden Arbeitslose noch nicht von Regierungsmitgliedern neoliberal gedemütigt und vor allem finanziell ausgehungert. 

Hoffnung für Langzeitarbeitslose

Es ging darum, arbeitslose Jugendlichen zu fördern. Vor allem aber jene, die den Sprung in einen Beruf allein nicht schaffen konnten. Diese Konzentration auf Jugendliche hat sich für WAMS in der Zwischenzeit geändert, andere Institutionen haben diese Aufgabe übernommen. Aber: Die Arbeitsplätze bei WAMS waren damals wie heute Teil der Aktiven Arbeitsmarktpolitik, heute mit Schwerpunkt langzeitarbeitsloser Menschen. Indes ist die Befristung der Tätigkeit bei WAMS mit einem Jahr gegenüber früher gleich geblieben.

Das Tiroler Erfolgsmodell beruht auch auf einem guten Zusammenspiel zwischen dem Arbeitsmarktservice AMS und dem Verein. Heute werden bei WAMS langzeitarbeitslose Menschen gefördert, die schon mehr als 1 Jahr lang arbeitslos sind. „Wir beschäftigen aber auch Menschen, die bereits 10 Jahre lang arbeitslos sind“, erzählt Christine Regensburger. Was das bedeutet, können sich ‚Nichtarbeitslose‘ kaum vorstellen. Als Teil des WAMS-Projektes erhalten sie die Chance, diese menschlich zutiefst schwierige Situation zu überwinden um anschließend ein fixes Dienstverhältnis beginnen zu können.

Die Sammelstelle in Schwaz bei der Kontrolle eingehender Hartwarenspenden. Bild: WAMS

Man würde es kaum glauben, wie unvermittelt und oft ‚brutal‘ Menschen von einer geregelten Arbeit in eine jahrelange Arbeitslosigkeit gestoßen werden. Viele verlieren ihren Arbeitsplatz durch eine schwere Krankheit, während der sie gekündigt werden. Andere deshalb, weil Betriebe schließen und jene entlassenen Mitarbeiter_innen mit der geringsten Ausbildung anschließend keinen Job mehr finden. 

115 Menschen werden derzeit ‚fit für den Job‘ gemacht

Neben dem menschlichen Leid und den vielfach aufklaffenden Schuldenfallen stellen sich dann auch meist familiäre Probleme ein. Die Menschen verlieren ihre Selbstsicherheit und beginnen, an sich selbst zu zweifeln. Und genau da bietet das WAMS eine Art menschliches Auffangnetz an. Regensburger: „Wir haben jahrzehntelange Erfahrung darin, Bedingungen zu schaffen, damit die Leute wieder in ein geregeltes Arbeitsleben einsteigen können.“ Es geht vor allem darum, Menschen so zu stabilisieren, dass sie wieder ein fixes Dienstverhältnis eingehen können. Derzeit bietet das WAMS 84 sogenannte ‚Transitarbeitsplätze‘ an. Zudem 28 Arbeitsplätze für Menschen über 55 Jahre, die es auf Grund ihres Alters oft besonders schwer haben, wieder einen Job zu finden. Daneben gibt es noch  3 geschützte Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen. Das ergibt total 115 Arbeitsplätze mit einer sozialen und arbeitsmarktpolitischen Zielsetzung. 

Die Sammelstelle in Schwaz bei der Kontrolle eingehender Hartwarenspenden. Bild: WAMS

Die ‚Transitarbeiter_innen‘ werden von 56 WAMS-Fachkräften in den Außenbetrieben und der Verwaltung betreut. So verfügt jeder der 10 Betriebe über eine eigene Betriebsleitung und die betreuenden Sozialarbeiter_innen. Regensburger: „Unsere Tätigkeit können wir mit einem Lehrverhältnis vergleichen. Wir machen Menschen fit für den Job und unterstützen sie dabei, soziale, finanzielle oder gesundheitliche Probleme zu lösen.“

Die Warenannahme von WAMS in Telfs Untermarkt. Direkt neben dem Geschäft.

WAMS deckt knapp 70 % der Kosten aus eigenen Leistungen

Wer nun glaubt, die Kosten dieser überaus wichtigen Arbeit würden von der öffentlichen Hand getragen irrt gewaltig. Auch mich hat es überrascht, dass 68 % der gesamten anfallenden Kosten dieser Sozialinstitution von ihr selbst getragen werden. Der Rest entfällt auf Arbeitsmarktmittel und Zuwendungen von Land und Gemeinden. 

Wie es möglich ist, knapp 70 % der Gesamtkosten einer Sozialeinrichtung quasi ‚selbst‘ zu finanzieren, wird bei WAMS augenscheinlich. Die insgesamt vier WAMS-Läden ähneln in ihrem Erscheinungsbild einem Laden der gehobenen Kategorie. Sind sie auch, wie ich meine. Denn das Versprechen „Second Hand – first class“ wird überzeugend praktiziert. Dieses Ergebnis einer jahrelangen, mühsamen Aufbauarbeit und des derzeit zunehmenden Energiebewusstseins fällt gerade jetzt bei vielen Menschen quasi auf fruchtbaren Boden. 

Der WAMS-Laden beim Finanzamt in Innsbruck ist quasi das Flaggschiff der Sozialinstitution. Bild: WAMS

Das Erfolgsrezept: Second Hand – First Class

Die eigentliche Basis des Erfolges sind also die intensiven Qualitätskontrollen jener Waren, die ausschließlich von privaten Spender_innen stammen. „Dazu gehört alles, was man alleine tragen kann“ erklärt Christine Regensburger, „Möbel und Matratzen nehmen wir nicht an. Unser Erfolgsrezept ist unbestritten die Tatsache, dass wir sehr genau sortieren und nur 1. Wahl in unsere Läden kommt“ sagt sie. 

Hartware wird gereinigt und gewaschen. Geschirr kommt in die Geschirrspülmaschine. Aber auch hochwertige Textilien oder Sportwaren – WAMS bietet bisweilen sogar Designer-Klamotten an – werden samt und sonders gewaschen bevor sie ins Geschäft kommen. Aktuell sind es Skianzüge, die ebenfalls penibel sortiert und gereinigt werden. „Diese Arbeit ist es, die uns die Leute bringt“ resümiert Regensburger. Eine Liste der WAMS-Geschäfte findet ihr im Anhang zu diesem Blogpost.

Die WAMS-Radwerkstatt

Eine Besonderheit ist die ‚WAMS-Radwerkstatt CONRAD‘ in der Ampfererstraße in Innsbruck. Da werden Neu- und Gebrauchträder, Transportanhänger, Ersatzteile und Zubehör verkauft. Besonders wichtig und interessant ist jedoch das Reparaturangebot der Werkstatt.

Die WAMS-Radwerkstatt Innsbruck ist bei Kunden sehr beliebt. Bild: WAMS

Jene Tiroler_innen, die das WAMS mit Sachspenden unterstützen helfen also mit, Arbeitsplätze für Menschen zu schaffen, die teilweise jahrelang arbeitslos sind. „Ohne diese Warenspenden könnten wir nichts verkaufen“ sagt Christine Regensburger. Die Tatsache, dass die Erlöse aus den Verkäufen wiederum direkt in den sozialökonomischen Verein zurückfließen ist für viele Spender_innen, auch für mich, eine perfekte Motivation für eine Spende. 

Mein Tipp: Geschenke von WAMS

Wie gesagt, ich besuch die WAMS-Läden in Innsbruck und Telfs immer, wenn ich in deren Nähe bin. Ich kann allen, die schöne Geschenke suchen, nur dringend raten, sich in den Geschäften umzusehen. Wäre ich Porzellansammler, ich hätte schon öfters ‚zugeschlagen‘. Dann nämlich, wenn Geschirr bekannter Porzellanmarken zu Preisen ‚jenseits von gut und böse’ angeboten wird. Oder altes Besteck, oder neuwertige Küchengeräte.

Aber ich höre jetzt auf und rate allen, die WAMS-Geschäfte doch einmal zu besuchen.

TIPPS:

Alle WAMS-Läden und Sammelstellen auf einen Blick. Die Liste kann als Bild heruntergeladen werden.