Gäbe es eine ‚rote Liste’ bedrohter Infrastruktur in kleinen Gemeinden, die einst ‚Gemischtwarenladen‘ genannten Geschäfte würden dazu gehören. Ich habe eines davon besucht, das mit neuen Methoden nicht nur für Furore auf Facebook sorgt.
Telfes im Stubai. 1.600 Einwohner, eine barocke Pfarrkirche, ein unter Denkmalschutz stehender Bahnhof und mit dem ‚StuBay‘ ein Sauna- und Badeparadies. Aber an Prominentendichte kann es Telfes sogar mit Städten aufnehmen. Neben einem ehemaligen Topfußballspieler und Nationaltrainer, einem Ex-Minister und einer grünen Bundespolitikerin ist es vor allem David Gleirscher, der Telfes mit seinem Olympiasieg im Rodeln bekannt gemacht hat. Seit einigen Jahren ist der Ort sogar als Rosendorf bekannt.
Ich habe mich also in die Stubaitalbahn gesetzt um in Telfes einem kleines SPAR-Geschäft meine Aufwartung zu machen. Aufgefallen ist mir dieses klassische Dorfgeschäft auf Facebook. Mein Freund Detlef Klose hat im vergangenen Jahr in den ersten Monaten der Pandemie immer wieder Postings dieses Geschäftes geteilt. Da wurden lokale Produkte angeboten, die zum Großteil von Erzeugern aus dem Stubai stammten. Lokal geht also doch, dachte ich mir und beschloss, das Geschäft aufzusuchen.

Lockdown brachte Umdenken
Ursprünglich wollte Caroline Kofler das Geschäft ihrer Eltern gar nicht übernehmen. Der Lockdown brachte ein Umdenken mit sich. Es wär doch ganz fein, quasi in den Hausschlapfen zur Arbeit zu gehen, sinnierte sie. Denn die Wohnung in ihrem Elternhaus liegt direkt über dem Geschäft. Und als ihre Mutter auch noch einverstanden war, im Geschäft mit zu helfen war die Sache klar.

Sie wollte lokalen Erzeugnissen von vornherein mehr Raum in ihrem Geschäft bieten. „Ich habe gespürt, dass die Leute lokale Erzeugnisse wollen“, sagt sie. Also suchte sie nach Erzeuger_innen und wurde im Stubai, quasi in der Nachbarschaft, fündig. Seither ist der SPAR-Markt Kofler im Tal ein Synonym für lokale Produkte.
Facebook als Werbemedium
Nun musste dieses lokale Angebot einerseits im Dorf und andererseits Im Tal bekannt gemacht werden. Da die Leute während der Lockdowns das Dorf kaum verlassen durften nutzte Caroline ideal, ihren Sparmarkt in Telfes und darüber hinaus bekannt zu machen. Unterstützt von ihrem Bruder begann sie, Angebote samt Fotos auf Facebook zu veröffentlichen. „Damit haben wir nicht nur Menschen erreicht, die neu nach Telfes gezogen sind. Auch viele Telfer waren bis dahin noch nie in unserem Geschäft“ sagt sie.

Während wir vor dem Geschäft bei einer Tasse Kaffe sitzen trifft gerade einer ihrer lokalen Lieferanten ein. Er hat Schwammerl gesammelt, die er Caroline anbietet. „Er liefert auch frische Heidelbeeren, die weggehen wie die warmen Semmel.“ Aber das ist nur ein kleiner Teil ihres lokalen Angebotes. „Die Erdäpfel beziehe ich von einem Bauern aus Kreith. Die halten wesentlich länger, ohne auszutreiben. Und schmecken auch noch besser. Auch das Kraut beziehe ich von diesem Hof.“

Inzwischen ist das kleine Ladengeschäft für die Frische der lokalen Waren bekannt. Verschiedene Salate, Bohnen, Zucchini, Broccoli, Gurken, Karotten und anderes Gemüse stammt von ‚Sauguats Gmias‘, dem Hof eines jungen und innovativen Bauern in Mieders.
„Der holt das Gemüse am Vormittag vom Feld und am Nachmittag können es meine Kunden im Geschäft kaufen“ sagt Caroline voller Stolz. Und wer Mitglied ihrer Facebook-Gruppe ist erfährt umgehend und quasi aus erster Hand, was es täglich an frischer, wunderbarer Ware bei Caroline Kofler gibt. „Wenn ich zum Beispiel Pfifferlinge poste, dauert es nicht lange, bis die ersten Kunden eintreffen und danach verlangen.

Erstaunlich ist, dass in diesem kleinen Markt auch Fleisch erhältlich ist. In normalen Supermärkten gibt es ja bekanntlich meist ‚irgend ein Fleisch‘. Carolines Sparmarkt führt im Gegensatz dazu das sehr spezielle Fleisch von Tiroler Tieren aus Autners Schmankerlmanufaktur mit Sitz in Neustift im Stubai. Da der auf Catering und Fertiggerichte spezialisierte Betrieb kein eigenes Verkaufslokal betreibt kommen Kunden aus dem ganzen Stubai nach Telfes um bei Caroline Kofler Fleischspezialitäten aus Neustift zu kaufen.


Auch Honig aus dem Stubai hat sich zu einem Verkaufsschlager entwickelt. Wir kennen ja das Problem: Honig aus den Seitentälern gibt’s normalerweise nur ‚unter der Hand‘. Da muss man schon einen Imker kennen, um an einzigartigen Wald-, Löwenzahn- oder Alpenrosenhonig zu gelangen. „Ich hab da einen Vorteil“, lacht Caroline. „Mein Nachbar ist Alban Klose, dessen Bienen ausgezeichnete Honigsammlerinnen sind.“

Was mich dann noch interessiert: Was sagt eigentlich die SPAR-Organisation dazu, dass Caroline quasi einen eigenen ‚Einkauf‘ betreibt? „Ich bin nicht bei SPAR angestellt“, sagt sie. „Ich betreibe den Einzelhandel als Selbständige. Von Spar erhalte ich am Ende des Jahres eine Provision vom Jahresumsatz“. Natürlich sei es ein Vorteil, dass die Organisation Werbung für Produkte mache, die auch bei ihr erhältlich seien. „Völlig losgelöst von einer großen Organisation geht’s nicht mehr“, sagt sie. Und schon gar nicht ohne die Mithilfe ihrer Mutter im Geschäft.


Dass sie quasi auch ‚Meinungsumfragen‘ macht überraschte mich doch einigermaßen. „SPAR macht Umfragen auf den Kassazetteln. Da hatten meine Kunden gewünscht, auch Fleisch einkaufen zu können.“ So hat sie Michael Stern von Autners Schmankerlmanufaktur aufgesucht und ihn davon überzeugt, ihr sein Markenfleisch zu liefern.
Was ich an Menschen wie an Caroline Kofler so schätze: sie gehen in den Dörfern neue Wege und schließen lokale Kreisläufe, vermeiden lange Transportwege und erhalten damit eine Infrastruktur, die bisher auszusterben drohte. Und von ihren Aktivitäten profitieren nicht nur Bauern sondern auch Menschen, die nicht jeden Tag mit dem Auto in irgendeinen Supermarkt fahren, sondern im lokalen Geschäft neben dem Einkauf auch noch ein Schwätzchen erledigen wollen.
Respekt für den Mut!
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