Geldmangel war es, der die touristische Verbauung Osttirols immer behindert hatte. Und weil sie ’nichts haben‘ ist Osttirol für mich ein Land mit viel Zukunft im Qualitätstourismus. Als Beleg dafür stelle ich hier einige jener Landschaften und Sehenswürdigkeiten vor, die Osttirol einzigartig machen.
Osttirol gerierte sich jahrelang als das ‚verlassene, vom Mutterland Nordtirol abgetrennte Kind‘, finanziell vom fernen Innsbruck völlig vernachlässigt. Na gut, eine gemeinsame Grenze mit Nordtirol gibt’s seit mehr als hundert Jahren keine mehr. Aber in Zeiten der EU-Förderprogramme ist von diesem Jammern wenig übrig geblieben. Ein legendärer Satz, vor knapp 20 Jahren ausgesprochen, wird nun zur eigentlichen Werbebotschaft des Landes: ‚Kommen Sie zu uns, wir haben nichts‘.

Dieses ‚Nichts‘ wird für Osttirol immer mehr zu einem ‚Unique Selling Point‘, einem ‚einzigartigen Verkaufsargument’. Erholungssuchende Menschen haben es zunehmend satt, inmitten herumwuselnder Touristenströme, Dreck, Hitze und Lärm Entspannung oder innere Ruhe zu suchen. Was kaum jemand für möglich gehalten hätte wird plötzlich Realität. Es wird wieder ‚très chic‘, das ‚Nichts‘ zu suchen, tagelang in einer intakten Natur zu versinken. Um jene Ruhe zu genießen, die sich zum Beispiel in einem vielstimmigen Chor der Vogelstimmen äußert. Wer die Abgeschiedenheit als Geschenk betrachtet muss in Osttirol nicht auf Genuss verzichten. Im Gegenteil: die vielen Sterne-Restaurants sind ein Beleg für das Qualitätsniveau der Gastronomie.

Seilbahnen, Skilifte, Ganzjahres-Skigebiete, Downhillstrecken für Räder, Autobahnen und zweispurige Straßen bis auf jede Alm war lange Zeit das non plus ultra eines Urlaubs in den Bergen. Genau da konnte Osttirol nie mithalten. Dazu fehlte schlicht und einfach das Geld. Man besaß ‚nur’ kulturelle Kleinode, landschaftlichen Perlen und Gebirgs-Juwelen. Und trotzdem galt das Land für dessen Bewohner_innen lange Jahre als ‚langweilig‘. Bis es seit einigen Jahren unversehens zu einem Lieblings-Urlaubsziel der gehobenen Touristenklasse wurde. Osttirol wird schön langsam zu einem Modell für einen richtungsweisenden, postmodernen Tourismus. Was jetzt noch fehlt ist die Überzeugung der ‚Eingeborenen’, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Aber vielleicht lesen die ja meinen Blog.
Ich möchte meinen Leser_innen einige außergewöhnliche Osttiroler Orte und Sehenswürdigkeiten vorstellen, die jeden Urlaub zu einem Erlebnis machen.

Innervillgraten und der Gannerhof: seit 30 Jahren mein persönliches Gourmetparadies
Schon vor mehr als 30 Jahren zog es mich jährlich mehrmals nach Innervillgraten in den dortigen Gannerhof. Für mich waren und sind Küche und Ambiente dieses einzigartigen alpinen Gourmettempels noch immer ein Sehnsuchtsziel. Die Gästezimmer: natürlich vom heimischen Schmied oder Tischler handgefertigt. Die Gebäude des Gannerhofes: allesamt originale Villgrater Holzbauten. Gäste sind im Gannerhof umgeben von Juwelen bäuerlicher Baukultur.



Und erst die Küche. Sie ist seit Jahrzehnten aus dem Restaurantführer Gault-Millau nicht mehr weg zu denken und mit sagenhaften 3 Hauben dekoriert. Josef Mühlmann zaubert ganz im unvergleichlichen Gannerhof-Stil aus lokalen Produkten Speisen, die mir beim Schreiben dieser Zeilen das Wasser im Mund zusammen rinnen lassen. Die Herkunft der Grundkomponenten seiner Küchen-Kreationen sind mit entscheidend für den Erfolg des Gannerhofes. Sei es Fleisch, Fisch, Gemüse oder Getreide, sie stammen zum allergrößten Teil von lokalen Bergbauern.

Villgrater Natur – Qualitätsprodukte aus lokalen Ressourcen
Innervillgraten ist auch die Heimat eines einzigartigen Projektes namens Villgrater Natur meines Freundes Josef Schett. Der war es übrigens, der mich im Jahre 1988 erstmals nach Innervillgraten eingeladen hatte. Er veranstaltete einen Informationsabend zum Thema ‚Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte‘. ‚Seppl‘ Schett ist für mich der Prototyp jenes Unternehmers, der seit Jahrzehnten der lokalen Ressourcen Schafwolle in Tirol zu neuen Höhenflügen verholfen hat. Er hat mit seinen Ideen dort Arbeitsplätze geschaffen, wo lange Jahre nur das Auspendeln oder gar Abwandern angesagt war. Ich betrachte die ‚Villgrater Natur‘ auch deshalb als ein Paradeprojekt ländlicher Entwicklung.





Das autofreie Almdorf Innergschlöss
Für andere Urlaubsorte eine Horrorvorstellung, in Innergschlöss quasi Gesetz: das Almdorf ist mit Privatautos nicht zu erreichen. Die sind dort nicht nur verpönt, sie sind sogar verboten. Die Folge diese Verbotes: ein einzigartiges Örtchen vor einer Landschaft, die monumentaler gar nicht sein könnte.
Ich verbringe nach meinen Almwochen im Valsertal seit Jahren Anfang September eine Woche in Innergschlöss. Es ist zu einer Art Sucht geworden, die Frische zu genießen, Ausflüge zum Schlatenkees oder auf die Ochsenalm zu machen. Die Milch hole ich mir jeden Abend von der Almsennerei. Und wenn ich in meinem Almhaus nicht selbst kochen will setze ich mich in das Venedigerhaus, wo es feinste regionale Speisen gibt. Meine Eindrücke habe ich hier zusammengefasst. Einen oder zwei Tage – wenn das Wetter nicht allzu gut zum Bergwandern ist – reserviere ich für Exkursionen in die fantastische Welt der Osttiroler Kunstschätze.





Mittelalterliche Kunst in Augenhöhe. Die Nikolauskirche von Matrei
Dieses romanische Kirchlein am Ausgang des Virgentales hat es mir angetan. Diese Kirche hebt sich von allen anderen ab. Die romanischen und gotischen Fresken im Kircheinneren zeigen immer den auferstandenen Jesus. Kalvarienberge und Folterszenen oder gar Kreuzwege sind nicht zu sehen. Die Ausnahme bildet eine einzige Darstellung der Kreuzigung an der Außenwand im Eingangsbereich.

Die fantastisch erhaltenen Fresken in der Nikolauskirche sind für mich immer einen Besuch wert. Sie sind stark beeinflusst von der byzantinischen Tradition und strahlen eine Aura aus, die bei Fresken selten ist. Bei einem Rundgang steht man diesen Kunstwerken Aug in Auge gegenüber. Man kann sich in die Maler hineinversetzen, die hier mit großem Können am Werk waren. Zu alledem gesellt sich noch eine Eigenheit, die unglaublich ist: die Kirche verfügt über zwei Altäre, die übereinander angebracht sind. Ein Altar im ‚Erdgeschoss‘, ein zweiter im ersten Stock.





Die Umbalfälle im Virgental
Ich muss nicht eigens betonen, dass der Nationalpark Hohe Tauern für Osttirol ein wahrer Segen ist. Die Umbalfälle im Inneren Virgental sind zu einem Synonym für die Erhaltung der letzten Wild- und Gletscherbäche Tirols geworden. Denn jahrelang wollte die Kraftwerkslobby, mit Politikern unter einer Decke steckend, die Isel zur Stromerzeugung ableiten.
Ohne einen Spaziergang vom letzten Parkplatz des Virgentales zu den Umbalfällen ist ein Urlaub in diesem außergewöhnlichen Land für mich nicht mehr denkbar.



Der Opferwidder von Obermauern
Ein ganz außergewöhnlicher Brauch wird in Obermauern im Virgental immer am Sonntag nach Ostern, dem sogenannten ‚Weißen Sonntag‘ abgehalten. An der Spitze einer Prozession, die die Gläubigen des Virgentales zur Wallfahrtskirche machen, wird ein massiver Widder mitgeführt. Das mit allerlei bunten Bändern und Blumen geschmückte Tier mit seinem etwa einen halben Meter langen, schneeweißen Vlies wird zur Kirche gebracht. Die Messe beginnt damit, dass der Widder dreimal um den Altar herum geführt wird.







Beim anschließenden kleinen Fest vor der Kirche wird der Widder im Rahmen einer Tombola verlost. Das Tier wohnt dann ein Jahr lang beim Gewinner, wird gehegt und gepflegt. Von Opferung natürlich keine Spur.
Die Kirche selbst ist quasi eine gotische Bibel. Das Kircheninnere ist übersäht mit biblischen Darstellungen. Den Gläubigen wurde hier allerhand geboten.
Der anspruchsvollste Pilgerweg Österreichs: ‚Hoch und Heilig‘
Seit einigen Jahren verfügt Osttirol über einen Berg-Pilgerweg namens ‚Hoch und Heilig‘. Dieser außergewöhnliche Weg verbindet Kärnten, Ost- und Südtirol. Neun Etappen führen von Lavant nach Heiligenblut. Dabei sind stolze 13.000 Höhenmeter zu überwinden. Ich habe die Etappe von Sillian nach Maria Luggau absolviert und bin dabei durch wahre Dorfjuwele gekommen, wie zum Beispiel Obertilliach.





Die Jagdhausalm im Defreggental
Zum Abschluss meiner Lobeshymnen auf Osttirol möchte ich all jenne die Jagdhausalm vorstellen, die damit eine uralte Kultur unseres Landes verbinden. Man muss es sich einmal vorstellen: die Alm wurde erstmals in einer Urkunde aus dem Jahre 1212 erwähnt. Was bedeutet, dass hier bereits seit knapp 810 Jahren Almwirtschaft betrieben wird.
In Ermangelung von Holz in dieser Höhe – immerhin befinde sich die niedrigsten Futterflächen der Jagdhausalm auf 2000 m Seehöhe. Die insgesamt 16 Almhäuser und die Kapelle sind alle aus Stein erbaut. Logisch, denn in dieser Höhe mangelt es an Holz. Das Aussehen der Jagdhausalm hat ihr den Spitznamen ‚Klein-Tibet‘ eingetragen.
Ein Aufstieg aus dem Defreggental ist wunderschön, passiert man doch auch noch die Stalleralm mit ihren fantastisch gesetzten Trockensteinmauern. Wenn das Wort ‚authentisch‘ gebraucht werden kann dann hier.







Hilfreiche Links:
Hier geht’s zur sehr gut gestalteten und überaus informativen Website der Osttirol-Werbung
Infomationen zu den Umbalfällen
Der Pilgerweg ‚Hoch und Heilig‘, Mein Blogpost zum Pilgerweg
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