‚Schnappschüsse der Befreiung‘

75 Jahre nach Kriegsende sorgt der Historiker Peter Pirker in der Tyrolia – Dokumentation ‚Schnappschüsse der Befreiung‘ für eine weitere Aufarbeitung der jüngsten Geschichte unseres Landes.

Es ist wiederum dem Historiker Peter Pirker zu danken, dass die jüngste Tiroler Vergangenheit wissenschaftlich weiterhin beleuchtet wird. Nach der meisterhaft recherchierten Dokumentation „Codename Brooklyn. Jüdische Agenten in Feindesland“ erschien nun quasi der Folgeband ‚Schnappschüsse der Befreiung‘.

75 Jahre mussten ins Land ziehen, um verschiedene Legenden ins rechte Licht zu rücken, die nach dem Krieg von zahlreichen ‚Widerstandskämpfern’ in Umlauf gebracht worden sind. In seinem im Frühjahr erschienenen Werk ‚Codname Brooklyn‘ setzte Pirker drei Männern endlich ein längst fälliges literarisch-dokumentarisches Denkmal. Deren wahrhaft heldenhafter Mut verschonte Innsbruck vor der Zerstörung durch die Nazi-Mörderbanden. 

Operation Greenup
Die Männer der ‚Operation Greenberg‘, v.l.n.r. Fanz Weber, Hans Wijnberg, Fred Mayer kurz nach ihrem Einsatz in Oberperfuss. Bild: tyrolia

Die ‚Schnappschüsse der Befreiung‘ schildern Peter Pirker und der Grafiker Mathias Breit das Kriegsende aus amerikanischer Sicht. Das wäre auch mit Fotografien des Heeresfotografen Louis Weintraub und Irving Leibowitz möglich gewesen. Diese Bilder hätten jedoch nur eine Seite bei Einmarsch und Besetzung Tirols durch die ‚Cactus-Division‘ gezeigt. Quasi die offizielle. Einzigartig wird der in der Tyrolia erschienene Doku-Band durch die Verwendung von Fotografien, die von Soldaten selbst gemacht worden sind. Die sich nach all dem Blutvergießen und menschlichen Tragödien in einem Land wiederfanden, das die meisten von ihnen nicht einmal vom Hörensagen kannten.

Cactus Division im Ausßerfern
Die Cactus-Division kämpft sich in den letzten Apriltagen ’45 in Richtung Innsbruck vor. Bild: Irving Leibowitz, National Archives

Man sollte sich speziell eine Situation vorstellen: Soldaten besetzen ein Land, dessen Bewohner noch kurz zuvor einem Wahnsinnigen frenetisch zugejubelt hatten. Die Teil jenes Systems gewesen sind, das äußerste Brutalität und Mordlust quasi zur Staatsräson erklärt hatte. Ich kann mir kaum vorstellen, was es für ein Gefühl gewesen sein muss, sich nun plötzlich in der Rolle von Besatzern wieder zu finden. Und für Frieden zu sorgen.

Kriegsende in Tirol '45
Die Soldaten der Deutschen Wehrmacht legten ihre Waffen nieder. Bild: Louis Weintraub, National Archives

Tirol war dem allergrößten Teil der US-amerikanischen Soldaten völlig fremd. Sie dokumentierten mit ihrer Kamera die letzten Gefechte in Scharnitz und im Außerfern, wunderten sich über die kampflose Übergabe Innsbrucks und die Befreiung des Gestapo-Mordlagers in der Reichenau. Eindrucksvoll und verstörend sind Aufnahmen von Exhumierungen, die von Zivilisten durchgeführt werden mussten. Besser konnte man der Bevölkerung die Gräuel und Mordlust der Nazischergen nicht zeigen. Die Tiroler hätten damals schon beginnen müssen, sich mit ihrer eigenen Verantwortung auseinander zu setzen. Ein Vorgang, der heute noch immer nicht abgeschlossen ist. Zu dem diese Tyrolia-Dokumentation wieder einen wichtigen Beitrag leistet.

Cactus-Divison in Innsbruck
Die Cactus-Division zieht in Innsbruck ein. Bild: Irving

Die Schnappschüsse der Soldaten zeigen sie sehr selten als Helden des antifaschistischen Kampfes  Es sind junge Männer, die den Feind verspotteten und stolz auf ihre Leistung sind. „Spürbar wird“, schreibt Peter Pirker in seinem Vorwort, „dass sich die GIs als ‚civilians at heart‘, als ‚im Grunde Zivilisten‘ verstanden“. Das war ein fundamentaler Unterschied zu den Soldaten der Deutsche Wehrmacht, die per Befehl politische Soldaten zu sein hatten.

Skifahrender GI auf der Seegrube
Ein US-amerikanischer GI übt den Stemmschwung auf der Seegrube im Mai ’45. Bild: National Archives

Peter Pirker und Mathias Breit, der für die Grafik verantwortlich zeichnet, ist wiederum ein einzigartiges Zeitdokument gelungen, das kurzweilig und informativ gleichermaßen ist. Der vorzüglich gestaltete Bildband zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er quasi ‚querfeldein‘ gelesen werden kann. Geschichten der letzten Kämpfe, Erinnerungen der GIs, Korrespondenzen und offizielle Berichte der US-Truppen machen die Dokumentation zu einem unverzichtbaren Bestandteil jeder Hausbibliothek. Ein ideales Geschenk.

Peter PirkerMatthias Breit: Schnappschüsse der Befreiung; Fotografien amerikanischer Soldaten im Frühjahr 1945; ISBN 978-3-7022-3850-6, 2. Auflage; 304 Seiten. 263 sw Abb.; 25 cm x 21 cm.
Sofort versandfertig oder abholbereit in der Tyrolia Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 15. Online: https://www.tyrolia.at/
29.95 EUR

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