Hier wächst auch Pfeffer: Das Kräuterschlössl von Goldrain

Ingwer, Curcuma, Sezuan-Pfeffer aus Südtirol? Dazu noch alle nur denkbaren Kräuter? Duftende Parfums, die den Namen des wohl berühmtesten Südtirolers tragen? Dazu noch exklusive Kosmetikartikel, die in den teuersten Wellness-Tempeln Anwendung finden. Und bald als Draufgabe noch ein großes Sortiment von BIO-Nudeln. Woher das alles stammt? Aus Goldrain im Vinschgau. Genauer: aus dem Kräuterschlössl.

Für Kenner ist das Kräuterschlössl längst zu einem Synonym für Innovation und BIO-Produktion geworden. Hinter diesem Erfolg steht eine Familie, die sich ganz und gar dem BIO-Anbau verschrieben hat: die 4 Generationen Familie Gluderer.

Das Kräuterschlössl in der Morgensonne.

Kräuterzucht inmitten trostloser Apfelmonokultur

Von einem ‚Kräuterprojekt in Goldrain‘ hatte mir Hans Haid, der kürzlich verstorbene große Tiroler Volkskundler, erstmals Mitte der 90er Jahre erzählt. Und zwar im Zusammenhang mit Recherchen, die er über das ‚neue Leben in den Alpen‘ angestellt hatte. Ich hatte Hans kennengelernt, als er mein Projekt recherchierte, das ich Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts im Großen Walsertal in Vorarlberg gestartet hatte: die KOPRA, eine „KOnsumenten-PRoduzenten-Arbeitsgemeinschaft“, zur Vermarktung bergbäuerlicher Erzeugnisse.

Urban Gluderer, den Begründer des Kräuterschlössls in Goldrain habe ich allerdings erst sehr viel später persönlich kennen gelernt. Wie könnte es anders sein als bei einer Veranstaltung zum ‚Wunder von Mals‘. Da war’s gut zu wissen, einen Mann vor mir zu haben, der nicht nur zu den Pionieren des giftfreien Anbaus zählt, sondern auch ein glühender Vertreter des BIO-Anbaus ist. Allerdings war unser Kennenlernen im übertragenen Sinn von ‚giftigen Pestizidwolken‘ überschattet. Urban und sein Kräuterprojekt liegen nämlich inmitten von riesigen Apfelmonokulturen die jährlich bis zu 30mal mit Pestiziden ‚behandelt‘ werden. Und er hatte grad einen Prozess gegen die Giftbarone laufen der ihm sein ‚finanzielles Genick‘ hätte brechen können. Der Ausgang hat allerdings ergeben, dass die Giftler jetzt wenigstens sagen müssen, WAS sie WANN für Gifte spritzen. —> Siehe auch mein Blogpost „Giftspritzende Apfelbarone bedrohen innovativen BIO-Bauern“.

„Ich hatte keine andere Wahl, als alle meine Pflanzungen mit riesigen und teuren Folientunneln abzudecken“, erklärt er mir bei der Begrüßung auf seinem Kräuterschlössl. „Bezahlen musste ich das alles selbst. Ansonsten müsste ich sofort aufhören BIO-Kräuter zu züchten.“ So ist das in Südtirol. Nicht der Verursacher zahlt. Wer die Nachteile im Land der Apfelmonokulturen hat muss die Schutzvorrichtungen auch noch selbst berappen.

Apfelzucht mit DDR-Geruch

Ich bin mir auf dem Weg vom Bahnhof zu seinem Kräuterhof wie in einem Tunnel ohne Deke vorgekommen. Ich spazierte durch eine links und rechts aufragende Wand aus verkrüppelten Bäumen. Die grotesk ausschauenden  Apfelbäume ähneln riesigen Bohnenstangen. Mit dem Unterschied, dass sie Äste austreiben und die Aussicht auf die Berge verstellen. Bäume kann man zu diesen absurd aussehenden Pflanzen nicht mehr sagen. Die ganz sicher sofort umpurzeln würden wären sie nicht an Drähten festgemacht. Die wiederum sind zwischen aus Beton gegossenen, meterhohen Säulen gespannt. Im Winter und Frühling, wenn die Bäumchen kein Laub haben fühlte ich mich wie vor 40 Jahren, als ich meine Großeltern in der DDR besuchte. Der Eiserne Vorhang schaute genauso aus: Betonpfosten dicht an dicht und dazwischen Draht. Der einzige Unterschied: in der DDR war’s Stacheldraht.

Zuerst Nebenerwerbslandwirtschaft

„Vor knapp 30 Jahren überschrieb mir mein Vater 3.600 m2 besten Landwirtschaftsgrundes in Goldrain“, beginnt Urban die Geschichte des Kräuterschlössl zu erzählen. „Auch der Vater hatte Apfelbäume gepflanzt, Sämlinge, konventionell bewirtschaftet, wie es alle machten. Ich habe diese dann sofort auf Bio umgestellt.  Und, ganz wichtig: „In meiner Kindheit war von den Apfel-Monokulturen weit und breit noch nichts zu sehen. Meine Eltern  lebten vorerst ein ruhiges Leben in einer Nebenerwerbslandwirtschaft mit Kühen, später mit Äpfeln und Zimmervermietung.“ Urban erlernte das Tischlerhandwerk und arbeitete dann  als Landesangestellter in einem Sozialzentrum und innerhalb eines sozialpsychiatrischen Projektes, das auch eine Kräuterzucht umfasste.

Urban und Annemarie Gluderer beim Blütenverlesen.

2003 war’s dann soweit. Er hatte „Feuer gefangen“, schmiss seinen sicheren Landes-Job hin um sich ab sofort der Kräuterzucht zu widmen. „Ich war 40 Jahre alt und hatte ein Ziel: in aller Ruhe Teekräuter zu züchten und gegebenenfalls auch noch ein wohlschmeckendes Kräutersalz herzustellen“ erzählt er schmunzelnd. Von einem ‚Kräuterschlössl‘ war schon zwei Jahre später die Rede, als die Familie Gluderer das in Gelb gehaltene Betriebsgebäude mit den auffallenden Zinnen in Betrieb nahm. Die Sache mit der Ruhe hat sich schon bald als trügerisch, ja sogar als falsch herausgestellt.

Das Kräuterschlössl in Goldrain ganz im Stil des Ansitzes ‚Schanzen‘ in Goldrain.

Ansitz Schanzen, Goldrain

BIO-Kräuterkosmetik

Denn nun meldeten sich plötzlich Hotels, die sich für Kräuterkosmetik interessierten. Die Wellness-Welle nahm damals volle Fahrt auf. Deren Bedingung: Sie mussten aus heimischen Kräutern, Früchten oder Beeren hergestellt sein. Und Urban hatte grad ausgiebig mit der Vinschger Marille experimentiert. So kam er mit den „Dolce Vita Hotels“ ins Geschäft. Eine Beziehung, die heute noch floriert und andere Betriebe zum Kräuterschlössl geführt hat, wie die Biohotels, die Therme von Meran und viele andere mehr. Damit hatte er eine Produktserie geboren, die immer noch sehr erfolgreich ist.

„Natürlich konnten wir die Rezepturen für Kosmetikprodukte nicht selbst innerhalb der Familie entwickeln“, sagt Urban. Aber auch hier fand er einen kongenialen Partner. „Ein Chemiker, der gleichzeitig auch ausgewiesener Kräuterspezialist ist, hat da einen ganz maßgeblichen Anteil am Erfolg.“

Die Papstwahl und das Kräuterschlössl

Dem rührigen Kräuterfex kam schon bald wieder das Schicksal zu Hilfe. Just, als der deutsche Kardinal Ratzinger zum Papst gewählt worden war lief im ZDF ein Film über das Südtiroler Kräuterschlössl. 5 Millionen Deutsche harrten vor den Fernsehschirmen und sahen quasi nebenbei das gelbe Schlössl, quasi als ‚Füller‘ zur Papstwahl. „Sie dachten wohl, dass das von einem verrückten Typen gebaut worden sei“ lacht Urban. Jetzt aber schoss die Bekanntheit des Kräuterschlössls durch die Decke. Und ist in Deutschland bis heute auf hohem Niveau geblieben. Das ist auch der Grund, weshalb viele Deutsche Urlauber in Goldrain im Schlössl auftauchen, um die vorbildliche BIO-Zucht mit eigenen Augen zu sehen und sich dabei mit Qualitätsprodukten vom Kräuterschlössl einzudecken. Wer die Wahl hat, hat im Kräuterschlössl die Qual. Denn die Produktpalette ist vielfältig und umfasst über 200 verschiedene Produkte.

Der Duft der 8000er. Eine Messner-Parfumserie 

Und dann ist da noch die Sache mit dem Reinhold Messner. Klar, der berühmte Bergsteiger thront auf Schloss Juval, hoch über dem Vinschgau und ganz in der Nähe der Gluderschen Kräuterfelder. Da Urban das Projekt des genossenschaftlichen Vinschger Bauernladens („Vereinte Vinschger Vielfalt) unterstützte und dort im Vorstand sitzt kam er auch mit der Bergsteigerlegende in Kontakt. Der war und ist ja auch Großsponsor dieses Projektes. Messner stellte der Genossenschaft auch das Grundstück für 21 Jahre zur Verfügung. Und er hat sich auch finanziell am Bau des Geschäftshauses beteiligt.

Auf dem Dach des Schlössls: Urban Gluderer mit seinem weltberühmten ‚Nachbarn‘ Reinhold Messner.

„Eines Tages wollte er  mit mir reden. Ich hatte eigentlich Angst, dass er mich auf eine Bergtour einladen wollte, der geht ja auf die Berge wie die Feuerwehr“ lacht Urban. Nichts dergleichen. Ob er denn für ihn eine Parfumserie entwickeln wolle, er züchte ja viele Kräuter, fragte Messner Gluderer. Die Bergsteigerlegende hatte dabei eher an einen Gag gedacht, Urban aber meinte es ernst.

Der setzte sofort alle Hebel in Bewegung, den Traum vom Messner-Parfum real werden zu lassen. Die Anfänge sind gemacht und fantastisch gelungen, wie ich gerne bestätige. Denn Urban hat mir den Manaslu-Duft zur Probe gegeben, den ich inzwischen heiß liebe.

Manaslu, ein ‚Messner-Parfum‘, hergestellt vom Kräuterschlössl.

Ein Quasi-Ritterschlag fürs Kräuterschlössl

Für mich war es  eine indiskrete Frage. Aber Ich wollte endlich wissen, was ein derartiger Promi dafür verlangt, seinen Namen herzugeben. „Wieviel zahlst Du dafür, den Namen Messner verwenden zu dürfen?“. Die Antwort ist überraschend: „Keinen Cent. Reinhold Messner schätzt unsere Arbeit und verdient Null, obwohl er seinen Namen hergibt.“ Wenn es einen Ritterschlag in Südtirol gibt, dann ist es so etwas. Derzeit sind die ersten vier Parfums auf dem Markt, in den kommenden Jahren soll ein Parfum für jeden der 14 Achttausender verfügbar sein.

Der Verkaufsraum im Kräuterschlössl präsentiert die feinen Erzeugnisse quasi auf einen Blick.

Bei einem Rundgang durch die Folientunnel des Kräuterschlössls dann meine größte Überraschung. Da wachsen Ingwer, Pfeffer und Curcuma. Biologisch gezüchtet, das muss man sich vorstellen. Eine für mich außergewöhnliche Erweiterung der Spezialitätenpalette Gluderers. Er hat ja nicht nur mit Messner ein ‚Joint venture‘ laufen sondern auch mit Südtirols Sterne-Köchen. Das Ergebnis: „So würzt Südtirol“, Gewürzmischungen vom Allerallerfeinsten.

Die Gewürzmischungen wurden in Zusammenarbeit mit großen Südtiroler Köchen kreiert.

Urban würde sicher unrund, könnte er nicht permanent neue Produkte entwickeln. „Wir wollen BIO-Nudeln herstellen“, erzählt er mir strahlend. Viel mehr ist ihm noch nicht zu entlocken. Nur soviel: Auch hier hat ein Sternekoch mitgemischt, nämlich Jörg Trafoier. Dessen Philosophie sich jetzt mit jener der Familie Gluderer vom Kräuterschlössl deckt: Große Küche mit besten einheimischen Produkten immer wieder neu interpretieren.“ Und zwar in Form exzellenter Nudeln.

So werden sie aussehen, die Verpackungen der BIO-Nudeln aus dem Hause Gluderer.

Vandana Shiva besuchte das Schlössl

Eine einzigartiges Lob erhielt das Kräuterschlössl durch den Besuch der Trägerin des alternativen Nobelpreises, Dr. Vandana Shiva. Die indische Vorkämpferin für eine giftfreie Landwirtschaft entschloss sich spontan, dem Schlössl nach ihrem aufsehenerregenden Auftritt in Mals einen Besuch abzustatten. Und zu dokumentieren, wie sehr sie die Arbeit dieses BIO-Betriebes schätzt.