Das einzigartige ‚Grieser Ladele‘

Mein Faible für Geschäfte und Klein-Läden und deren Betreiber_innen, die sich gegen Supermarkt-Kraken und Gierkonzerne stemmen ist – so glaub‘ ich jedenfalls – bei meinen Leser_innen hinlänglich bekannt.

Stets auf der Suche nach kleinen und feinen Nahversorgern mit regionalen Produkten im Regal bin ich wieder fündig geworden. Und zwar im hintersten, besser ‚innersten’ Ötztal. Konkret: in Gries im Ötztal.

Viele meiner Leser_innen werden vermutlich nicht wirklich wissen, wo Gries im Ötztal liegt. Wobei gesagt werden muss, dass sich die Grieser selbst lieber als ‚im Sulztal liegend’ bezeichnen. Ausgangspunkt (besser: Auffahrtspunkt) ist Längenfeld im Ötztal. Von dort führt die kurvenreiche Straße in das verträumte Dörfchen am Fuße des „Breiten Grießkogels“. Kaum 300 Einwohner, viel Privatpensionen, das von vielen ruhesuchenden Genießern geschätzte Hotel Schöpf, eine romantische Kirche samt Darstellung eines Jakobpilgers und viel Berge. Ja, und da gibt’s sogar noch einen Gletscher, nämlich den Bockkogelferner. Weshalb ausgerechnet in diesem Miniaturdörfchen ein Nahversorger bestehen kann war für mich ein Rätsel, das es zu knacken galt. Das Ergebnis meiner Recherchen ist denn auch durchaus erstaunlich.

Heimische Spezialprodukte

Im August 2018 war ich auf das Ehepaar Schöpf aufmerksam geworden, das bei dem inzwischen zur Institution gewordenen Dialektmusikfestival „MUNDartGERECHT“ in Längenfeld einen kleinen Verkaufsstand betrieben hatte. Das wunderbare Festival wird vom Verein „Pro Vita Alpina“ meiner Freunde Gerhard und Florentine Prantl alljährlich im August organisiert und gehört zu den Fixpunkten meiner sommerlichen Vergnügungen. Das Angebot am Stand von Renate und Gebhard Schöpf hatte es bei genauerem Hinsehen in sich: Da wurde Allerfeinstes angeboten, darunter Rohmilch-Almkäse aus der Region, selbst angesetzte Liköre, köstliche Marmelade aus regionalen Früchten und vor allem allerlei von der Zirbe. Salben aus Edelweiß und Föhre, selbstverständlich selbst hergestellt, rundeten das Angebot ab. Nur die Geschäftsadresse ‚Gries im Ötztal‘ machte mich stutzig. Und so konnte ich meine Neugier nicht lange unterdrücken und machte mich auf nach Gries.

Ein ‚Satz‘ Marmelade aus heimischen Früchten nach Art des Hauses Schöpf. So schmeckt hausgemachte Marmelade!

Für Geschenke zu Festtagen oder zu Geburtstagen hervorragend geeignet: Renates hausgemachte Marmeladen aus handgepflickten Ötztaler Preisel- und Heidelbeeren.

„Wir haben alles, was Sie brauchen. Und was wir nicht haben brauchen Sie auch nicht.“

Die Geschäftsphilosophie der Schöpfs steht auf der Visitenkarte wie ein Grundgesetz. Und besser kann man es auch kaum ausdrücken, was sich da vor den Augen des staunenden Kaufpublikums offenbart. Vor 18 Jahren haben die beiden in Gries im Ötztal jenes Ladengeschäft als Nahversorger eröffnet, vor dem ich nun stand. Aber eigentlich hatten die beiden anderes im Sinn.

Gebhard war in seiner Jugend eine Art ‚Kraftsportler‘. Fingerhaggln, Stoanaheben und andere schweißtreibende Freizeitbeschäftigung waren sein Metier. Gerhard war 21 und Renate 19 Jahre alt, als sie gemeinsam das Westfalenhaus im Sellrain übernommen hatten. Fünf Jahre lang führten sie als damals ‚jüngste Hüttenwirte des Alpenvereins‘ das Haus und zogen wieder ins Tal, als die Kinder ihre Schulreife erlangten. Eine glückliche Zeit, wie Gebhard sagt.

Was dann folgte war eine Ansammlung von härtesten Schicksalsschlägen. Gebhard erlitt zwei lebensbedrohliche Herzinfarkte („es ist ein Wunder, dass ich überhaupt noch lebe“), eines ihrer Kinder starb. Wer aber glaubt, die beiden hätten aufgegeben, wird im wahrsten Sinn des Wortes eines besseren belehrt. Aufgegeben hatte Gebhard lediglich seinen Beruf als Koch. Aber auch nur, weil er musste.

Ein Ladele für alle Anlässe

Das vor 18 Jahren gegründete kleine Geschäft inmitten von Gries hat es in sich. Es war jene Zeit, als Gebhard auch noch einen gut dotierten, Nicht-Koch-Job im Inntal krankheitsbedingt aufgeben musste. Und in diesem Ladele stehe ich nun. Es ist seltsam, aber das Ambiente erinnert mich heftig an meine Jugendzeit. Da gab’s noch keine Supermärkte mit Musikbeschallung. Das Warenangebot war auf die notwendigen Lebensmittel beschränkt. Keine Rede von 100 verschiedenen Schokoriegeln oder ein Angebot an Tierfutter, das grad in ein Regal mit 50 m Länge passt. Dafür Suppenwürfel, Knödelbrot und Maggifläschchen.

Im Grieser Ladele gibt’s also alles an Grundnahrungsmitteln, man findet auch Gemüse und SalateTschik (der saloppe österreichische Ausdruck für Zigaretten) fehlen natürlich nicht, ebenso wenig wie Hosengummi, Nähzeug oder Damenhygiene. Zirbenkissen schweben da bisweilen über Porzellanengeln. Und für die Touristen Souvenirs in allen Größen und Preislagen. Das alles wird jedoch von heimischen Produkten dominiert, ein wahrhaft stattliches Angebot an ‚heimischen Ressourcen‘. In Gries im Ötztal wird ganz offensichtlich veredelt, was Wald und Feld hergeben. Einerseits in Flaschen abgefüllt und andererseits in Gläsern angeboten wird aus dem Ladele ein wahrhaftiges, regionales Spezialitätengeschäft, das es in sich hat.

Von den Almen direkt ins Grieser Ladele: der fantastische Almkäse

Mir haben es die Käse angetan, die im Grieser Ladele angeboten werden. Sie stammen von neun (!) verschiedenen Almen. Darunter die Stegeralm im Lechtal, die Mathonalm am Arlberg, die Lüsener- oder die Nassereinalm. Großteils nach altem Stil hergestellt, sind diese Käse ein Hochgenuss für jeden Käsefreund. Ich will von Gebhard wissen, ob denn die Grieser so käseversessen sind. „Meine Kunden wohnen zum Großteil aus Holland und Deutschland“, sagt er. Dass er einen großen Stammkundenkreis besitzt glaubt man diesem Riesen von einem Mann gerne. Seine Art, Tirol mit in die Produkte zu packen ist nämlich einzigartig. „Wir verfügen in unseren Bergen über Rohstoffe, die es nur zu nützen und zu veredeln gilt.“ Sein Wort in der Touristiker Ohr, denk ich mir. Und dann erklärt er seine Philosophie am Beispiel der Zirbe.

Käse von insgesamt neun Tiroler Almen gibt’s im Ladele zur Sommerszeit.

Die Zirbe, Gerhards ‚Wunderbaum‘

„Wir verarbeiten eigentlich alles, was dieser wunderbare Baum bietet“, erklärt Gebhard. „Unser Zirbenöl stammt ausschließlich von den Zirbenzapfen und wird von mir weder aus Nadeln noch Rinde oder Holz gewonnen.“ Bei der Herstellung der duftenden Zirbenspäne, mit denen auch die Kissen gefüllt werden, die Renate herstellt, achtet Gebhard gleich auf mehrere Dinge. „Der Baum muss im richtigen Mond geschlagen werden. Die Zirbenspäne, die ich derzeit im Geschäft anbiete, wurden vor vier Jahren am Heiligen Abend zwischen 9 und 11 Uhr gefällt, da hatten wir das richtige Zeichen. Die Zirbenspäne selbst werden vom Kernholz gehobelt, da es „viel mehr Kraft besitzt“, wie Gebhard betont. Aus dem restlichen Holz schnitzt er vor allem duftende Souvenirs für seine Kunden. Dass die Zirbe noch für ein weiteres Produkt berühmt ist, dürfte hinlänglich bekannt sein: der ‚Zirbeler‘, ein feiner Likör mit dem unnachahmlichen Harzduft der Zirbe erfreut sich zunehmender Beliebtheit.

Feinstes Zirbenöl, gewonnen ausschließlich aus den Zapfen der Zirbe.

Besonders als Souvenirs und Geschenke gefragt: Gebhards Zirbenholzandenken.

Marmelade ‚aus den Ötztaler Alpen‘

Mir haben es auch die Marmeladen von Renate angetan. Die Preiselbeermarmelade, natürlich aus selbst geernteten Preiselbeeren des Sulztales und das Gelee von diesen Beeren ist hochklassig, die Heidelbeermarmelade ein absoluter Genuss. Auch die Marmelade von den Bergmarillen und den Zwetschken übertrifft geschmacklich so ziemlich alles, was zu kaufen ist.

Geschenkpackung mit hausgemachten Marmeladen auf Zirbenspänen.

Grandios: Sirup und Likör aus dem Hause Schöpf

Obwohl ich absolut kein Freund von Schnäpsen bin, bei Likören kann ich dann und wann schon schwach werden. (Nein, bei mir gilt derzeit dieser Spruch nicht: „Es ist ein Spruch von alters her, wer Sorgen hat, hat auch Likör.) Renate und Gebhard haben eine eigene Methode entwickelt, den vollen Geschmack der alpinen Früchte und Zirben-Zapfen in Alkohol zu lösen. Damit der Geschmack so intensiv wie nur irgend möglich ist, hat Renate ihre Zubereitungs-Methode stetig verfeinert. Nur soviel sei verraten: Sie setzt Schnaps nicht mit den ganzen Früchten an. Und: Wenn zum Beispiel der Zirbeler gesüßt wird, kommt Honig aus Gries zum Einsatz. Eigentlich logisch, wenn man heimische Ressourcen verwendet. 

Liköre und Brände a la ‚Grieser Ladele‘. Wahre Botschafter des guten Geschmacks.

Eine Edelweiß-Creme gefällig? Voilà!

Schwer zu glauben, dass das Edelweiß Grundlage einer feinen Creme ist. Entgegen meinem Leibspruch, wonach alles, was ein Mann schöner ist als ein Aff Luxus sei (das meinte jedenfalls Hans Weigls Tante Jolesch), probiere ich seit einigen Wochen die Edelweißceme. Nun, ich werde die Falten damit nicht aus meinem Gesicht bügeln können. Aber ich habe die Creme bei Wanderungen aufgetragen. Erstens riecht sie gut und zweitens kommt mir vor, dass die Haut nicht so schnell austrocknet. 

Edelweiß- und Zirbencreme: Hautpflege auf der Basis heimischer Pflanzen.

Spezialabfüllungen für Hochzeiten und Firmen

Wer lernen will, wie man aus einer wirklichen Ungunstlage (Gries im Ötztal ist unzweifelhaft eine solche) einen Vorteil macht, der sollte das Grieser Ladele zum Vorbild nehmen. Denn die ‚Renner‘ des Programms, seien es nun Marmeladen, Liköre, Schnäpse oder Salben, werden auf Wunsch individuell gestaltet. Also mit Pickerl einer Firma oder dem Bild und Namen eines Hochzeitspaares versehen. Und die Pickerl selbst werden auch nicht ‚irgendwo‘ hergestellt sondern im vorbildlichen Sozialprojekt ISSBA in Imst. „Ich frag dabei nicht um den Preis“, sagt Gebhard. Denn damit unterstütze ich und meine Kunden Menschen, die sonst keine Arbeit finden.“ Aber das ist noch nicht alles. Die Produkte müssen nun an die Frau/den Mann.

Bei all diesen Produkten gilt: wo Tirol draufsteht ist auch Tirol drin.

Versand der Produkte

Wer erst einmal den Weg nach Gries hinter sich gebracht hat wie ich, weiß, dass das nicht unbedingt geschäftsfördernd für die Spezialprodukte der Schöpfs ist. Mit Öffis ist’s vollends schwierig. (Mich haben daher auch Gerhard und Florentine Prantl hin- und herkutschiert. Nochmals danke dafür.) Für Renate und Gebhard Schöpf war die Abgelegenheit noch nie ein  Problem. Im Gegenteil. Denn das Grieser Ladele ist auch gleichzeitig eine Hermes-Paketaufgabestelle. Und so versenden die beiden wöchentlich mehrere Pakete mit Bestellungen, die vor allem aus dem Ausland kommen. Die Versandkosten? Die sind mehr als günstig. So kostet der Versand von 6 Flaschen Likör oder Schnaps nach Deutschland ganze neun Euro. Auch die Geschwindigkeit überzeugt: spätestens am 2. Tag ist die Ware bei den Kunden. Hermes, ein Namen, den man sich pakettechnisch merken sollte.

Gebhard und Renate Schöpf vor dem wahrlich großen Angebot an echten, heimischen Produkten in ihrem Grieser Ladele.

Wie kommt man zu den feinen Produkten des Grieser Ladeles?

Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten:

Erstens: nach Gries fahren und sich das Angebot im Grieser Ladele in aller Seelenruhe zu Gemüte führen und vor Ort einkaufen. Der Laden liegt etwa 200 m von der Kirche taleinwärts und ist nicht zu übersehen. Wie gesagt: in Längenfeld nach Gries abzweigen.

Die Öffnungszeiten:
Hauptsaison: 7.00 Uhr – 18.00 Uhr
Nebensaison: 7.30 Uhr – 12.00 Uhr (Nachmittag individuell)

Zweitens: Eine Bestellung per Telefon oder per email aufgeben. Für Erstbesteller ist dieser Rat wenig hilfreich, denn das Grieser Ladele verfügt über keine WebSite, dafür aber über ein email und eine Telefonnummer:

Telefon: +43 664 3909660;
email: grieser-ladele@gmx.at

Ich habe in meinem Blogeintrag einige Produkte abgebildet. Das gibt einen ersten Eindruck über das Warensortiment von Gebhard und Renate Schöpf. Aber Gebhard ist gerne bereit, am Telefon oder per email genauere Auskünfte zu geben.

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