Eine Wanderung führt mich in jenes Tal, das im Mittelalter den Reichtum einer ganzen Stadt begründet hatte: das Halltal.
Mein erster Kontakt mit dem Halltal war nicht wirklich positiv. Als Wehrpflichtiger in der Absamer Kaserne lernte ich es als Auftakt eines sinnentleerten 40-km-Marsches kennen. Mit Knarre, Rucksack und Stahlhelm mussten wir auf dem Weg zur ‚Kaiserpyramide‘ das Tal durchqueren. Jahrzehnte später wollte ich vor allem die St. Magdalenenkapelle im Halltal besuchen. Und, sofern die ‚Luft‘ dann noch reicht, bis zu den Herrenhäusern weiterwandern.
Der historische Solewanderweg
Hall in Tirol ist eine jener Tiroler Städteperlen, in der ich mich wohl fühle. Ich liebe das südlich angehauchte Flair der Altstadt. Ein Flair, das vor allem durch die wunderbar erhaltenen und sanierten Renaissance-Gebäude vermittelt wird. Auch die Stadtpfarrkirche St. Nikolaus hat es mir angetan. Vor allem aber die riesige Reliquiensammlung mit Knochen aller möglichen (und unmöglichen) Heiligen. Also ist es für mich nur logisch, die Wanderung ins Halltal hier zu beginnen. Verdankt doch die Stadt ihren Reichtum dem weißen Gold dieses Tales, dem Salz. Naja, bis zur Haltestelle ‚Halltal‘ in Absam hab’ ich dann aber doch lieber den Bus genommen.
- Enge mittelalterliche Gassen
- Das Rathaus in Hall
- Ein Hauch von Mittelalter
Der Historische Solewanderweg ab Absam
Man kann nicht davon sprechen, dass der Aufstieg flach verlaufe. Die Straße ab Absam steigt bisweilen in einem Ausmaß an, das schon sehr beachtlich ist. Und dennoch ist die Wanderung abwechslungsreich. Dafür sorgt der „Historische Solewanderweg“, dem ich nun folge. Und der passiert gleich einmal die ‚Bergerkapelle‘ am Taleingang. Sie markiert eine ehemalige Grenze, wie sie heute nicht mehr denkbar wäre. Denn ab hier durften die Bergleute von den Organen des Landesgerichts weder angehalten noch verhaftet werden. Hinter der Grenze, taleinwärts, galt also eine Art Asylrecht. Tja, man brauchte die Arbeiter, um an das weiße Gold zu gelangen.
- E-Biker_innen lieben offensichtlich das Halltal.
- Der Blick vom Halltal zum Glungezer und ins Inntal
32 Prozent Steigung. Na bravo!
Nach dem Passieren der Wasserfassung der Trinkwasserversorgung von Hall beginnt dann eine Steigung, wie sie selten zu bezwingen ist: 32 % sind kein Lercherl. Schritt für Schritt nähert man sich der nächsten Station auf dem Solewanderweg: der ersten Ladhütte. Diese Schupfen dienten als Zwischenlager für Materialtransporte zu den Bergwerken. Sie hatten aber noch eine weitere wichtige Funktion, weil sie direkt an der hölzernen Soleleitung liegen, die bis Hall zu den Sudhäusern geführt hatte. In jeder der Ladhütten wurde die Sole in einen Messtrog geleitet um durch den Vergleich der Ergebnisse ein Leck in der Leitung entdecken zu können.
- Die Ladhütte Nr. 2. Hier zweigt der Weg ab…
- …der durch schönen Wald nach Magdalena führt.
Bei der 2. Ladhütte dann die erste Entscheidung des Tages: sollte ich den Steig durch den Wald nach St. Magdalena nehmen oder auf der Zubringerstraße zu den Herrenhäusern weiterwandern? Ich entschloss mich, den Steig zu nehmen und bereute das nicht. Ein erfrischender Spaziergang durch einen wunderbaren Mischwald war eine Art Belohnung dafür. Ich erreichte St. Magdalena nach einem rund dreiviertelstündigen Aufstieg.
St. Magdalena im Halltal
Ich habe mich immer wieder gefragt, weshalb das Kirchlein der Heiligen Magdalena gewidmet worden war. Vielleicht war es die permanente Gefahr, die dem Kirchlein durch Lawinen, Muren und Erdbeben drohte. Denn ein Stoßgebet lautet: „St. Magdalena rett uns aus großer Noth, bewahre uns vor jähem Todt“. Nach der Errichtung einer Eremitenbehausung im Jahre 1441 durch einen ehemaligen Salz-Beamten aus Hall wurde 1486 die Margaretha-Kapelle fertiggestellt. Später zu einem Frauenkloster erweitert, wurde dieses 1552 aufgelassen. Vom Klostergebäude selbst sind nur noch Mauerreste zu sehen, es wurde Opfer zweier Erdbeben (1670 und 1689). Nur das heute als Gasthaus fungierende Mesnerhaus, ein Wirtschaftsgebäude und das Kirchlein überlebten alle Naturgewalten. Ein wunderschöner spätgotischer Flügelaltar der Magdalenen-Kirche wurde abgebaut und in die Krieger-Gedächtniskirche in Hall gebracht, wo er von kunstsinnigen Menschen bewundert werden kann. Ich beschließe jedenfalls spontan, der Gedächtniskirche in Hall im Anschluss an meine Halltal-Wanderung einen Besuch abzustatten.
- Fresko im Chor der Kirche
- Tabernakel
Kein Geld für die Sanierung der Herrenhäuser?
Nach einer kurzen Rast raffte ich mich dann doch noch auf, bis zu den Herrenhäusern weiter zu wandern. Wobei von einem ‚Herrenhaus‘ kaum mehr die Rede sein kann. Denn das historisch bedeutende Gebäude rottet vor sich hin. Mehr noch: Eine Lawine beschädigte das Herrenhaus im Jahre 1999, der Schaden ist bis heute nicht behoben worden. Für alles haben wir in diesem Land Geld, für neue Straßen, Autobahnen, Abfangjäger und millionenteure Werbung der Regierung in den Revolverblättern des Landes. Aber für historische Gebäude, unser kulturelles Erbe, ist kein Geld da. Für mich wahrhaftig ein Skandal.

Die immer noch nicht reparierten Herrenhäuser. Schlimmer noch: die Häuser verfallen zusehens. Es ist ein Skandal, was wir uns als ‚Kulturnation‘ leisten.
Das Gebäude wurde zwischen 1776 und 1780 errichtet und diente ursprünglich den Salzbeamten als Unterkunft, während die Knappen damals noch in eigenen Behausungen leben mussten. 1845 – 1847 wurde das Haus auf die heute noch sichtbare Größe erweitert.
Das ‚Ruppertikirchlein‘ bei den Herrenhäusern
Sehenswert ist die Ruppertikapelle bei den Herrenhäusern. Eigentlich ist das Kirchlein zur ‚Unbefleckten Empfängnis Mariens’ geweiht, wird aber im Volksmund dem Hl. Rupperti zugedacht. Das Interieur ist vielfältig und bunt zusammengewürfelt. Es sind die kleinen Details, die das Kirchlein so heimelig machen.
Der gotische Flügelaltar von St. Magdalena
Ich wollte meinen Ausflug ins Halltal und zur Kirche St. Magdalena nicht beschließen ohne den einstigen Altar des Kirchleins zu sehen, der sich in Hall in der Gedächtniskirche auf dem Gelände der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus befindet. Diese Kirche ist ebenfalls der Hl. Magdalena gewidmet. Die 1330 urkundlich erwähnte Kirche beherbergt neben dem spätgotischen Flügelaltar aus dem Halltal auch noch Wandgemälde aus drei Epochen zwischen 1410 und 1610.
Das Jüngste Gericht
Besonders schauerlich ist die Darstellung des Jüngsten Gerichts von 1466 an der Südwand der Kirche. Dieses größte gotische Fresko Tirols ist reich an grässlichen Darstellungen der ewigen Verdammnis. Ich bin fasziniert, mit welchen Bildern den Menschen des Mittelalters Angst gemacht worden ist. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass vermutlich fromme Menschen das Fresko mit ihren Rötelstiften ergänzt hatten.
Damals wie heute: Narrenhände beschmieren Tisch (Fresko) und Wände.

Das große Fresko vom Jüngsten Gericht ist ein Paradebeispiel, wie die katholische Kirche Angst und Schrecken verbreitete.
- So stellte man sich in der Gotik die Auferstehung der Toten vor. Aus schön rechteckigen Gräbern.
- Eine fromme Seele entsteigt ihrem Grab. Begleitet von Kritzeleien frommer Leute.
- Die Strafe Gottes: ein Schrecken erregender Teufel holt sich die Sünder, unter ihnen Papst, Bischof und Adelige.
- Der Höllenschlund in Form eines Krokodils öffnet seinen Rachen um die Sünder am Jüngsten Tag zu verschlingen.
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