Wer kennt sie nicht, die zwei Türme, die oberhalb von Zirl gen Himmel streben. Die Wenigsten – so schätze ich einmal – kennen allerdings die Ruine Fragenstein aus der Nähe. Weshalb ich an dieser Stelle einen Spaziergang dort hinauf nur herzhaft empfehlen will.
Zu meiner Schande zuerst einmal ein Geständnis: ich habe Zirl bis zum heurigen April eigentlich nur vom Durchfahren gekannt. Und das ist jetzt halt auch schon 40 Jahre her, als nämlich die Autobahn noch gar nicht existierte und ich in Absam neun völlig unsinnige, ja verlorene Monate als Soldat abzudienen hatte.
Auch während meiner Innsbrucker Studienzeit in den 70er Jahren brauste ich durch Zirl, ohne groß nach rechts oder links zu schauen. Jetzt allerdings auf dem Weg nach Seefeld. Aber das war’s dann auch schon.
Ich kam eigentlich erst beim heurigen Zachäussingen mit dieser interessanten Gemeinde in näheren Kontakt. Und die Ruine Fragenstein? Die ist mir immer nur vom Zug aus aufgefallen. Jetzt erst nahm ich mich selbst beim Schlawittl und bestieg den Hügel, auf dem die wild-romantischen, ruinösen Türme stehen. Und das am 30. Dezember.
Zirl lag bereits vor 2.000 Jahren an einer der wichtigen Römerstraßen, nämlich der Via Raetia. Sie führte über den Seefelder Sattel nach Augusta Vindelicum, dem heutigen Augsburg. Das ist sicher auch ein Mitgrund, weshalb an dieser uralten Wegstrecke im Mittelalter zwei mächtige Türme erbaut worden sind. Denn die Wegstrecke nach Seefeld und weiter nach Mittenwald und nach Süddeutschland war vermutlich schon zur Keltenzeit eine Handelsverbindung. Und blieb es auch bis heute. Liegt doch die moderne Straße – im Prinzip – immer noch auf der uralten Route.

Was Wunder dass sich Kaiser, Fürsten und Minnesänger dereinst auf dieser Burg die Klinke in die Hand drückten. Die Aussicht ist absolut grandios. Und, für die War-Lords des Mittelalters ganz besonders wichtig: Feinde konnten von hier aus sehr schnell ausgemacht werden.
Ein mittelalterlicher Topstar schlug auf Fragenstein die Leier

Oswald von Wolkenstein, der Pop-Star des Hochmittelalters schlug zweimal auf Fragenstein die Laute. Bild: wikipedia
Für den Adel des Mittelalters eröffneten Handelsrouten wie diese ein Leben ohne Geldsorgen. Vorausgesetzt, man war zu Mord und Totschlag bereit. Denn fraglos kassierten die räuberischen adeligen Herrschaften von den Händlern Maut und Steuern satt. Auch die Bauern wurden von diesem adeligen Pack unter tatkräftiger Mithilfe der Bischöfe und Pfaffen kräftig zur finanziellen Ader gelassen, sprich ausgeraubt. Dass die Herrschaften schon im 13. Jahrhundert äußerst gut bei Kassa waren bezeugen zwei Engagements des damaligen Stars unter den Minnesängern, Oswald von Wolkenstein. Der wird ja auch nicht gratis die Laute geschlagen und wohlfeile Liebes-Liebeslieder geträllert haben. Und ich vermute einmal, dass er es mit seiner damaligen Gage leicht und locker mit jener heutiger Top-Pop-Stars aufnehmen hätte könnte.
Maximilians Jagd-Dependance
Zudem war diese Wegstrecke auch militärstrategisch wichtig. Weshalb sich auch mächtige Herrschaften wie Friedl mit der leeren Tasche oder sein Sohn Sigmund der Münzreiche gerne auf der Burg sehen ließen. Sogar Kaiser Maximilian I. interessierte sich höchstpersönlich für Fragenstein. Maximilian, das soll aber auch gesagt werden, nützte das Gemäuer im südlichsten Karwendel vor allem als Dependance für seine ausschweifenden Jagden. Das Kriegshandwerk überließ der eitle Geck und fanatische Jäger anderen.
Dass die Burg zu einer Ruine verkam war dem Bayerischen Rummel im Zuge der Spanischen Erbfolgekriege zu verdanken. Das Gemäuer wurde 1703 kurzerhand gesprengt. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde versucht, einen völligen Zerfall zu verhindern.
Naturschutzgebiet Fragenstein
Vom Ortszentrum in Zirl erreicht man die weithin sichtbaren zwei Türme der Ruine Fragenstein innerhalb von rund 35 bis 40 Minuten. Ich kann selbst den Spaziergang durch das nördliche Zirl empfehlen. Da gibt’s noch altes Gemäuer zu bewundern, ehemalige Mühlen und auch mächtige alte Wohnhäuser. Sogar einen Sagschneider hab ich noch ausgemacht. Kein Wunder, rauscht doch der Schlossbach zwischen Mühlgasse und Bühelstraße, also quasi die treibende Kraft alter Handwerkstraditionen.
Der Aufstieg auf Fragenstein ist insofern unangenehm, als der Verkehr von der unter dem Wanderweg vorbeiführenden Zirlerberg-Straße nicht zu überhören ist. Dennoch, ich empfehle diesen Spaziergang guten Herzens. Ist doch das Gebiet um die Burgruine seit geraumer Zeit auch ein Naturschutzgebiet.
Nach rund 20 Minuten kommt eine erste Abzweigung zum Schießstand. Ich war doch neugierig, wie ein Schießstand in einer Schlucht liegen kann und passierte den in den Kalkfelsen gesprengte Tunnel. Und tatsächlich hat man von dieser – nördlichen Seite – einerseits einen schönen Blick auf Fragenstein. Und andererseits auf den Schießstand der wackeren Zirler Schützenkompanie.

Fragenstein vom Bachbett des Schlossbaches aus gesehen. Wenn hier scharf geschossen wird, pfeifen die Kugeln an dieser Stelle just über den Kopf des Fotografen hinweg.

Einzigartig. Die Lage des Zirler Schießstandes in der Schlucht des Schlossbaches. Die Scheiben befinden sich auf der anderen Bachseite.
Wieder zurück auf dem Weg nach Fragenstein ist man innerhalb kurzer Zeit beim Ostturm. Von wo die Aussicht auf Zirl und das Inntal bereits sehr erbaulich ist. Aber es sind die Berge, die Fragenstein ein einmaliges Flair verleihen, vor allem die Kalkkögel, die sich vor der Haustüre bizarr auftürmen. Während der Ostturm in sehr schlechtem Zustand zu sein scheint ist der Westturm geradezu eine Zier. Ihn erreicht man nach weiteren 10 Minuten Gehzeit. Die Aussicht ist wiederum wunderschön.
Vom Westturm aus ginge der Weg dann weiter nach Reith bei Seefeld, das von hier aus – glaubt man den Wegverantwortlichen – in etwa 1 1/2 Stunden erreicht sein sollte. Ich wählte jedoch den Abstieg ins Dorf um mich in einem der gemütlichen Cafes auszuruhen.
An- und Abreise: ich empfehle die Busverbindung von Innsbruck oder Telfs aus. Denn der Bahnhof von Zirl liegt doch etwas weit in den Äckern. Man muss sogar den Inn überqueren um ihn zu erreichen.
Hallo Werner, was ist ist denn ein „Sagschneider“. Auch Google hat mir nicht weitergeholfen. Scheidet der Särge oder Säcke, oder was ist das? – Es gibt aber bei Google etliche Gasthäuser des Namens.
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Das ist der tirolerische ausdruck für sägewerk. Sagln, schneiden.
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Schee gschriebn!!!!! Immer wieder interessant deine Tirolbegehungen zu lesen. Bin erstaunt, was es da alles gibt.
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Bedankt eugen, guten rutsch und alles liebe.
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Habe mit grossem Interesse Deinen Article ueber die Ruine Fragensten gelesen. Als Ausland Zirler 50 Jahre in Australien lebend war es eine schoene Erinnerung, besonders indem dass das Land/Wald um Fragenstein imbis zum Tode meines Vaters im Besitz meiner Familie war. Habe auch ein essay ueber die Geschichte Fragensteins geschrieben!
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Herzlichen Dank für das Lob. Ich will mit meinen Beiträgen ganz einfach auf versteckte Perlen hinweisen, die wir in Tirol allethalben besitzen. Und die im Tourismusgetriebe untergehen. Alles Liebe nach Australien.
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