Der Knall könnte nicht lauter sein: Regula Imhof, für die Tiroler Grünen im Aufsichtsrat der TIWAG, verzichtet in Zukunft auf diese zweifelhafte Ehre und legt das Amt nieder. Die Schallwellen treffen auch oder vor allem die Tiroler Grünen, allen voran Umweltlandesrätin Ingid Felipe mit ihrer grünen Landhaus-Nomenklatura. Wird das jetzt ein Fall für den Staatsanwalt? Mein Respekt gilt jedenfalls Regula Imhof für ihre – in Tirol nicht eben weit verbreitete – Zivilcourage.
Dass die TIWAG in Tirol herumfuhrwerkt wie sie will ist eine sattsam bekannte Tatsache. Seit Jahren nachzulesen bei Markus Wilhelm auf seinem Blog dietiwag.org.
Diese in 100 % Landesbesitz befindliche Aktiengesellschaft ist auch seit jeher eine exklusive, sündteure Spielwiese der herrschenden ÖVP. Von der Personalauswahl (ÖVP-Mitgliedschaft ist auch für Putzfrauen immer von Vorteil) über die Sponsortätigkeit bis hin zu höchst lukrativen Posten für abgehalfterte ÖVP-Granden, die ansonsten am Hungertuch zu nagen hätten. Ein wunderbares Beispiel für das Fürstengehabe der Tiroler ÖVP ist der jetzt in Ungnade gefallene Nebochant, der Herr Mader. Er durfte ja dereinst die Geschicke der Hypo Tirol ohne jegliche Fachkenntnis aber mit Superbezügen leiten. Quasi als blinder Chauffeur im Auftrag der ÖVP.

Regula Imhof zieht die Reißleine als Aufsichtsrätin der TIWAG. Ihre Kritik ist fundamental und sollte den Tiroler_innen zu denken geben.
Jetzt spricht Regula Imhof in aller Klarheit solche Machenschaften an. Offenbar befürchtet sie, dass der TIWAG-Karren geradeaus aber mit Vollgas gegen die Wand gefahren wird. Ganz nach dem Vorbild der Hypobank Tirol quasi. Und dafür würde sie als Aufsichtsrätin auch mit dem Privatvermögen haften.
Ihr Rücktritt sollte eigentlich der Regierungs-Nomenklatura der Tiroler Grünen zu denken geben. Denn sie – vor allem aber Ingrid Felipe – ist verantwortlich dafür, dass das Tiroler Naturschutzgesetz in unfassbarer Art und Weise zu einer „Lex TIWAG“ verkommen konnte.
Ich veröffentliche das Rücktrittsschreiben von Regula Imhof im vollen Wortlaut. Damit sich jede_r seinen Reim auf die Tiroler Zustände machen kann. Heraushebungen in Fettschrift sind von mir gemacht.
Offener Brief an die Tiroler Landesregierung und den Aufsichtsrat der TIWAG
Natters, 9. Oktober 2015
Betrifft: Vorzeitiger Rücktritt als Aufsichtsratsmitglied der TIWAG
Sehr geehrter Aufsichtsratsvorsitzender, sehr geehrte Aufsichtsräte der TIWAG,
Sehr geehrte Damen und Herren der Tiroler Landesregierung,
Vor rund zwei Jahren habe ich das Amt als TIWAG Aufsichtsrätin übernommen. Ich lege dieses Amt nun vorzeitig und mit sofortiger Wirkung zurück, weil
- Grossinvestitionen mit Nachdruck vorangetrieben werden, ohne dass Risiko, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit ausreichend geprüft sind,
- politischer Einfluss die Aufgaben des Aufsichtsrats unterbindet
- Gesetze (Wasserrechtsgesetz, Naturschutzgesetz, Wasserrahmenrichtlinie) einseitig zu Gunsten von Projekten der TIWAG abgeändert und interpretiert werden
- Rechtliche Verfahren (insb. Naturschutzgesetz und UVP) politisch beeinflusst werden
- Gegen den Willen und gegen Beschlüsse der lokalen Bevölkerung vorgegangen wird
Die TIWAG ist ein Landesunternehmen und hat als solches dem umfassenden Interesse der Tiroler Bevölkerung zu genügen. Es ging mir deshalb persönlich vor allem darum drei Dinge einzufordern:
- Die umfassende und externe Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Risiko von neuen Grossprojekten
- Die Abwägung von unternehmerischem Gewinn durch neue Kraftwerksprojekte gegenüber der Verschlechterung der Fliessgewässerqualität, Landschaftsbeeinträchtigung, Artenverlust, Verlust von regionaler Wertschöpfung, Heimat und Identität für die lokale Bevölkerung (Volkswirtschaftliche Betrachtung und Abwägung verschiedener Nutzungen des Wassers)
- die sachliche und transparente Diskussion, wenn neue Wasserkraftprojekte geplant werden und wenn festgelegt wird, welche Rolle die TIWAG in der Energiewende spielen soll.
Unter den derzeitigen Voraussetzungen konnte ich als Aufsichtsrätin der TIWAG relevante Entscheidungen nicht ausreichend beeinflussen und strategische Fragen oder Anträge von meiner Seite wurden im Aufsichtsrat nicht ernst genommen.
Strompreise können weder von Strommarktexperten noch von Kritikern von Grosskraftwerken über 5 Jahre hinaus klar genug abgeschätzt werden. Renditeberechnungen sind deshalb über diese Zeitdauer hinaus mit äußerster Vorsicht zu sehen und ebenso zu berechnen. Umso mehr die letzten Jahre durch die Energiewende in Deutschland Entwicklungen gezeigt haben, die so niemand voraussehen konnte. Was von den Einen nun als kluge und effiziente Arbeitsweise gefeiert wird, schätze ich als spekulative Vorgangsweise ein. Es liegen nach wie vor keine unabhängigen Berechnungen zur Wirtschaftlichkeit der geplanten Gross -Kraftwerke vor und mein formeller und schriftlicher Antrag im Aufsichtsrat (August 2014) zur externen Beratung und Berechnung zur Wirtschaftlichkeit für den Ausbau der Kraftwerke Sellrain-Silz und Kaunertal wurde mit großem Unverständnis als Misstrauensantrag gegenüber dem Vorstand verworfen und abgetan.
Gleichzeitig wurden auf politischer Ebene mehrere zentrale Entscheidungen gefällt, die die Entwicklung der Wasserkraft in Tirol wesentlich bestimmen und die ich ebenfalls nicht mittrage. Es sind dies:
- Die unerklärliche Verordnung des Wasserwirtschaftlichen Rahmenplanes Tiroler Oberland der TIWAG (meine Stellungnahme habe ich 2014 öffentlich bekannt gemacht)
- Die abschwächende Novelle des Naturschutzgesetzes (große Wasserkraftprojekte wie bspw. Sellrain-Silz können in Zukunft durch Ermessensspielraum unter anderem bei erheblicher Lärmentwicklung in Ruhegebieten bewilligt werden).
- Der unverständliche positive naturschutzrechtliche Bescheid zur Wasserkraftanlage Tumpen-Habichen im März 2015 (aufgrund „überwiegendem öffentlichem Interesse“ trotz kritischer Beurteilung der naturkundefachlichen, wasserwirtschaftlichen und wasserbautechnischen Fachbereiche).
Mit politischen Vereinbarungen für den Ausbau der Wasserkraft werden derzeit die für Entscheidungen notwendigen rechtlichen Verfahren politisch vorweggenommen oder im Nachhinein korrigiert. Im Bundesgesetzblatt vom 3. November 2014 zum Rahmenplan ist bspw. nachzulesen: „Die Verwirklichung des Rahmenplans von der TIWAG ist als öffentliches Interesse (§ 105 WRG 1959) bei allen wasserwirtschaftlichen Maßnahmen anzustreben“. Das öffentliche Interesse wird allerdings nirgends inhaltlich definiert. Und trotz Verschlechterungsverbot des Zustandes von Oberflächengewässern gemäss der Wasserrahmenrichtlinie und ihrer direkten Geltung für konkrete Vorhaben (siehe EuGH-Urteil zum Verschlechterungsverbot) und ohne ausreichende naturschutzrechtliche Qualitäten von Wasserkraft-Projekten werden diese politisch aufgrund von vermeintlich überwiegendem „öffentlichem Interesse“ bewilligt. Als Aufsichtsrätin muss ich mich jedoch auf sachgemäß durchgeführte rechtliche Verfahren zu Umweltwirkungen von Kraftwerken, verlassen können. Das kann ich aber nicht, wenn Verfahren im Nachhinein politisch umgedreht werden. „Bescheide“ von rechtlichen Verfahren des Amtes der Tiroler Landesregierung sollten ausserdem ungeschwärzt für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Der politische Vorstoß von LH Platter vom Juli 2015 zur Änderung der EU – Wasserrahmenrichtlinie zielt ebenfalls daraufhin die nachhaltige Nutzung, den Schutz und die Wiederherstellung der Tiroler Gewässer weiter zu schwächen zu Gunsten von Wasserkraft, die faktisch nicht für die Strom- Versorgung von Tirol benötigt wird, sondern vermeintlich die Finanzierungsschatulle des Land Tirol füllen soll (Tirol produziert schon seit einigen Jahren kontinuierlich mehr Strom als es verbraucht). Welche Konsequenzen es aber hat, wenn eine Landesregierung ein Unternehmen als Finanzierungsschatulle heranzieht, ist inzwischen aus anderen Fällen bekannt – und auch wie wichtig die ernsthafte Kontrollfunktion und strategische Beratung des Aufsichtsrates für ein Unternehmen wäre. Mein Fazit hierzu ist: Entscheidungen, die dem Aufsichtsrat obliegen werden anderswo getroffen, Aufsichtsräte haften aber für allfällige Folgen mit dem Privatvermögen (im Gegensatz zu den Politischen Entscheidungsträgern, die nicht haften). Die geplanten Grossprojekte sind nach meinem Wissensstand und Einschätzung riskante Wetten für die Zukunft, für die ich als Aufsichtsrätin der TIWAG nicht einstehen könnte.
Schliesslich werden die neuen Kraftwerksprojekte durchwegs gegen den Willen und die Befürchtungen der lokalen Bevölkerung geplant und durchgesetzt. Zahlreiche Beschlüsse von Agrargemeinschaften, Gemeinden und den Tourismusverbänden liegen unter anderem aus dem Stubaital wie auch aus dem Ötztal vor. Aus gesellschaftlicher Unternehmensverantwortung der TIWAG mit dem Alleineigentümer Land Tirol (sprich Tiroler Bevölkerung) sind bspw. Ableitungen von Wasser aus einem Tal in ein anderes Tal meiner Ansicht nach nicht vertretbar.
(Anmerkung: Ich möchte wieder auf das sensationelle Video aufmerksam machen, auf dem unser Herr Landeshauptmann Günter Platter sein Demokratieverständnis in aller Offenheit dokumentiert. Ein Dokument demokratischen Grauens.)
Diese Punkte habe ich bereits mehrfach in den Aufsichtsrat der TIWAG eingebracht. Ein persönliches Gespräch mit LH Platter zu meinen Beweggründen vorzeitig zurückzutreten, wurde mir nicht gewährt.
Mit Dank für das mir entgegen gebrachte Vertrauen und für Ihre Kenntnisnahme, verbleibe ich nun
mit freundlichen Grüssen
Regula Imhof
Zur Person Regula Imhof
Die geborene Schweizerin ist diplomierte Forstingenieurin ETH. Sie war von 2007 bis 2013 Vizegeneralsekretärin der Alpenkonvention. Sie war zuständig unter anderem für die Plattform „Wasserwirtschaft“ und die Erstellung der Gemeinsamen Leitlinie für die Kleinwasserkraftnutzung im Alpenraum der Alpenkonvention
Seit 2012 ist Regula Inhof Bio-Erwerbsobstbäuerin in Tirol und engagiert sich bei den Grünen Bäuerinnen und Bauern.
Meine Hochachtung für eine Politikerin die zu dem steht wozu Sie gewählt worden ist !!!
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Hat dies auf dtklose rebloggt und kommentierte:
Hochachtung der Schweizerin Regula Imhof, die uns klar aufgezeigt hat a) was Sache ist und b) wie man damit umzugehen hat. Damit könnte man auch eine kollektive Rücktrittsaufforderung an die Tiroler Landesregierung verknüpfen. Denn sie wissen offenbar nicht, was sie tun.
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